18/07/2011
18/07/2011

Das Titelblatt des ISG Magazins (2/2011) zum Symposium "Schöne Aussichten. Baukultur : Tourismus - Bright Prospects. Building Culture : Tourism" zeigt Schloss Esterházy: Ausblick in dei Zukunft. (c) driendl* architects, Wien.

Nachdem im vorigen Jahr das Problemfeld Denkmalschutz und energieeffiziente Sanierung an der Technischen Universität Graz kontrovers diskutiert worden war, stand heuer das nicht weniger spannende Thema Tourismus und dessen Wechselwirkungen mit dem baulich-kulturellen Erbe im Zentrum eines zweitägigen Symposiums des Internationalen Städteforums Graz. Am 1. Juli sprachen vor zahlreichem Fachpublikum und Interessierten zehn ReferentInnen aus dem deutschsprachigen Raum über mehr oder minder gelungene Beispiele sowie die sensible Verträglichkeit des UNESCO-Weltkulturerbestatus mit touristisch motivierten Interessen. Eine Exkursion zu den Standorten des Universalmuseums Joanneum – u.a. dem Schloss Eggenberg – und zum Uhrturm auf den Grazer Schlossberg rundete für die Teilnehmer am folgenden Tag das Programm der Veranstaltung mit lebendigen Eindrücken ab.

Das Themenspektrum der ISG-Konferenz, die im Heimatsaal des Volkskundemuseums in der Paulustorgasse abgehalten wurde, umfasste dabei sowohl den urbanen Raum als auch ländliche Baukleinodien, für die Tourismus oftmals eine Rettungschance bedeutet. Am Vormittag betonte Burghauptmann Reinhold Sahl (Wien) die hohe Bedeutung historischer Bauwerke für den modernen Städtetourismus, wie z.B. die Steigerung der Nächtigungszahlen in Innsbruck demonstriert. Alfons Schmidt (Potsdam) erläuterte das Konzept des neuen „dezentralen Besucherzentrums“: Während das berühmte Schloss SansSouci von Touristen überlaufen wurde und daher deren Zahl schon aus konservatorischen Gründen auf 320.000 im Jahr beschränkt werden musste, fanden sich an den weniger bekannten historischen Stätten kaum Besucher ein. Mit Hilfe des neuen Besucherzentrums können die Gästeströme nun auf kleinere Museen umgelenkt werden und diese profitieren so am hohen Bekanntheitsgrad des weltberühmten Schlosses mit. In den weiteren Beiträgen widmete sich Bgm. Jürgen Winter der baulichen Umgestaltung von Schladming für die Alpine Ski WM 2013, Bibiane Hromas (Wien) der Rolle von Architektur für den Tourismus sowie Georg Carlen (Luzern) der Erhaltung und Nutzung von historischen Hotels in der Schweiz. Historische Industriearchitektur als Publikumsmagnet stand im Fokus des Referats von Irene Wiese-von Ofen (Essen): unter Denkmalschutz gestellte ehemalige Industriebauten fungieren im Ruhrgebiet heute als Konzerthäuser, Tanztheater Museen u.v.m. und sind damit wichtige Kristallisationspunkte für die gegenwärtige Kulturszene.
Den Nachmittag eröffnete Horst Wadehn (Brühl) von den UNESCO-Welterbestätten Deutschland e.V. mit kritischen Worten zum Umgang des heimischen Tourismus Marketing mit dem UNESCO-Titel. Angekommen in Graz habe er mehrere Passanten befragt, die ihm auf seine Fragen keine Auskunft zum Welterbestatus von Graz geben konnten und selbst im Tourismusbüro wurde er nur kurz angebunden darauf verwiesen, „es doch in einer Buchhandlung zu versuchen“. Ein wichtiger und wirtschaftlich gangbarer Weg zum Erhalt von ländlichen Baujuwelen ist die Finanzierung deren aufwändiger und historisch angemessenen Renovierung durch sanften Tourismus mit dem innovativen Konzept „Ferien im Baudenkmal“, erläuterte Monika Suter vom Schweizer Heimatschutz (Zürich). Einen ähnlich gelagerten Versuch zur Erhaltung der Identität des ländlichen Raumes schilderte Karl Amtmann am Beispiel des oststeirischen Projekts LoB (Leben in oststeirischen Bauernhäusern). Neben der Privatnutzung der revitalisierten Höfe, deren Sanierung aus Mitteln des Landes gefördert wurde, sind dabei auch rund 40 Ferienwohnungen entstanden, die Erholungssuchende unter dem Label LandLust ansprechen. Zum Abschluss widmete sich der Landeskonservator der Steiermark, Christian Brugger, dem Problemfeld der Beanspruchung historischer Substanz, die nicht allein auf die materielle Ebene festzumachen sei. Andererseits werde dadurch auch die öffentliche Wahrnehmung für die Bedeutung historischer Bauten und deren schonender Konservierung geschärft.

In der abschließenden Diskussion mit ISG-Vizepräsident Hansjörg Luser, Susanne Höller von Graz-Tourismus, Joanneum Geschäftsführer Wolfgang Muchitsch und Jürgen Moravi (BM f. Unterricht, Kunst und Kultur, Sektion Denkmalpflege) wurden äußerst kontroverse Standpunkte im Umgang mit dem UNESCO-Status offenkundig: Höllerer verteidigte ihren Standpunkt, dass das Marketing von Graz Tourismus damit nicht gezielt werbe, weil er kein „Alleinstellungsmerkmal“ darstelle. An der Tourismus-Strategie, die Stadt mit nur einer Handvoll von „Highlights“ auf Plakaten und in Broschüren optisch zu verkaufen, wurde heftige Kritik geübt. Beim kontextlosen Fokussieren auf einzelne Bauwerke gehe der Blick aufs Ganze verloren, denn schließlich sei die Grazer Altstadt als Ensemble von kulturhistorischer Bedeutung und nicht in Gestalt von den großen Touristenmagneten, die im Hochglanzdruck eine tolle Figur machen. Ein weiteres Thema bildete die 200-Jahr-Feier des Universalmuseums Joanneum, das mit Hochdruck an der Sanierung und dem weiteren Ausbau seiner Standorte arbeite, wie Muchitsch hervorhob. Die Zusammenfassung der vielen Standorte unter einer Leitung erlaube die koordinierte Abstimmung der dafür notwendigen Aktivitäten. Einen kritischen Appell richtete Barbara Kaiser, Leiterin der Abteilung Schloss Eggenberg, zum Abschluss an die steirische Landespolitik: durch die Nutzung des Schlosses als repräsentative Kulisse für allzu viele Anlässe sei die Gefährdung des erst kürzlich in den Rang des UNESCO-Weltkulturerbe erhobenen Gebäudes unverantwortlich hoch geworden. Eine Beschränkung derartiger Veranstaltungen wäre jedenfalls dazu angetan, die Schädigung der Substanz zu minimieren.

Veranstalter der internationalen Konferenz „Denkmalpflege/Baukultur – Tourismus“ waren das Internationale Städteforum Graz (ISG), die TU Graz und das Universalmuseum Joanneum. Eine detaillierte Zusammenfassung der Beiträge erhalten Sie in Kürze auf Anfrage im ISG-Büro. (Anm. d. Red.)

Verfasser/in:
Josef Schiffer, Bericht
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