05/11/2004
05/11/2004

EXPO 2005 Aichi, Japan.
Wettbewerb für den österreichischen Pavillon.
Sieger DI Hermann Dorn, trecolore architects
Ausstellung aller Wettbewerbsbeiträge.
Dauer bis 17.12.2004

Österreich präsentiert sich mit den Themen Rodelfahren, Eisbar und alles Walzer, aus gegebenem Anlass vielleicht ausschließlich Walzer rechts, keinesfalls links.
Eröffnung der Ausstellung Mares Rosmann.

anschließend Ort.03-HDA 22.10.2004
Thema: Chile, Bauen zwischen Stadt, Land und Wüste.

Vorträge und Diskussion:
Rodrigo Perez de Arce
und
Smiljan Radic Clarke

Rodrigo Perez de Arce, geboren 1948, Architekt und Professor an der Catholic University School, Santiago.
Perez de Arce spricht über das Land Chile, wenig über die Menschen in Chile, nicht über die Geschichte. Auch Chile hat wie jedes Land eine Geschichte, vor dem 11.09.1973 eine mit Allende und eine nachher mit Pinochet und der Militärjunta. Die Angehörigen der Opfer des Militärterrors demonstrieren noch heute gegen das Vergessen.
Zeitgenössische Architektur wird in diesem Land weder durch Erinnerung noch durch Traditionen geprägt, sagt de Arce. Bezogen auf die Größe des Landes ist Chile dünn besiedelt, Landschaften beschreibt man in Chile, indem man den typischen Mangel zitiert. Mangel an Menschen, Wasser, Vegetation. Und territoriale Leerräume welcher Art auch immer, transportieren keine Erinnerungen, es herrscht steter Neubeginn für jede Art von Aktivität.
Tradition stellt sich ausschließlich dar im Umgang mit dem Vorgefundenen, als Präzision im Gebrauch des noch Nützlichen in Abhängigkeit von Bedürfnissen und Bedarf.
Schönheit ist keine Qualität per se, Wert entsteht aus der Brauchbarkeit und Verfügbarkeit der Mittel.
Dann spricht Perez de Arce über seinen Zugang zur Lehre.

Inkas lebten bis vor 500 Jahren in der nördlichen Hälfte Chiles.Ihre Spuren wurden von den spanischen Eroberern getilgt. Perez de Arce zeigt Fotos aus der Luft. Eine große Wiese, vielleicht der Fußballplatz der Universität. Mit weißem Pulver sieht man Kreise und Geraden, von den Studenten ins Gras gezeichnet. Riesige Bilder, der Grundriss des Parthenon in wahrer Größe von den Studenten als Einübung in die europäische Kunstgeschichte geschaffen oder der Grundriss einer Villa nach Palladio auf einem anderen Foto.
In der Erinnerung des Teilnehmers an dieser Vorlesung blitzen die großartigen Erdbilder der Inkas auf oder der Stadtgrundriss von Matchu Piccu:
Perez de Arce spricht nur scheinbar beiläufig über seine Lehrmethoden, über sein gebautes Werk spricht er gar nicht. Vordergründig erscheint Perez de Arce sehr uneitel, aber nach ihm spricht sein prominentester Schüler, wie er später in der Diskussion auf Befragung schließlich zugibt.

Smilijan Radic Clarke
geboren 1965,Architekt
Studierte Architektur an der Catholic University School, Santiago, Fortbildung an der Architekturfakultät der
Universität Venedig und am Andrea Palladio Institut in Vicenca.

Smilijan Radic Clarke zeigt ein Luftbild. In Europa würden wir diese Landschaft als den Übergang von Wüste zu Steppe definieren, in Chile sagt man dazu Pampa. Man sieht das Haus eines Kohlemachers. Der Übersetzer sagt nicht Köhler, Radic muss Wert auf den sprachlichen Unterschied legen. Radic erweitert das Haus des Kohlemachers. Er baut ein Gerüst aus Ästen und Zweigen in der Form eines ausgebauchten Kegels. Diese Schalung wird mit einer dicken Lehmschicht beworfen. In der Lehmschicht sind einige kreisrunde Löcher. Durch diese Öffnungen werden Holzabfälle in das Innere geworfen. Damit wird im Objekt ein Feuer entfacht, aus den Löchern tritt dichter Rauch, man sieht die Geburt einer Behausung.
Die Holzabfälle und die Schalung verbrennen, der Lehm ist gebrannt, der Kegel bleibt stehen.
Der Kohlemacher hat sein Haus erweitert. Alles war da, wurde vorgefunden und verwendet.
Später spricht Radic von einem Tisch, er hat das Objekt in einer Psychiatrischen Anstalt gesehen. Der Mann in der Anstalt nennt seine Schöpfung Tisch, aber nach der sprachlichen Konvention war es kein Tisch, es hatte keine Platte, es hatte keine Beine, man konnte daran nicht Platz nehmen. Das Foto zeigte eine unübersehbare Ansammlung von Flaschen, Verpackungen und Restmüll, aber für den Mann war es ein Tisch. Also musste es viele Tische geben, einen, den Radic als Tisch erkennt und einen wie ihn der Mann in der Psychiatrischen Anstalt als Tisch sieht.Jeder erkennt in seiner Wirklichkeit seinen Tisch, also gibt es so viele Tische wie Wirklichkeiten. Diese Erkenntnis prägt Radic, sagt er.
Er zeigt dann das kleine Haus, dieses etwa dreieinhalb mal dreieinhalb Meter groß, eingegraben in eine Hangkante. Das Haus hat als Zugang von oben am Hang einen Weg. Und jetzt wirds spannend. Für vielleicht drei Meter Höhenunterschied geht man 60 m, erlebt die Topografie des Geländes und die Inszenierung des Panoramas.
Das gleiche Thema behandelt Radic nochmals. Auf einem sehr großen, luxuriösen Bauplatz an einer Steilküste zum Pacific. Das Haus entzieht sich jeder Kenntnisnahme, alle Räume sind im größtmöglichen Abstand voneinander in das Gelände gesetzt.
Das verbindende Element aller Räume ist ein Weg. Unglaublich, aber der Weg ist das Ziel.
Radic erwähnt, sein Großvater sei 1938 aus Brac, heute Kroatien, nach Chile ausgewandert. Radic hat noch die kulturelle Prägung des Europäers. Aber Chile erstreckt sich über fast sechtausend Kilometer von Nord nach Süd, die Gebirge liegen parallel zur Küste und wenn sie auch über sechtausend Meter hoch werden, verstellen sie nicht die Sicht, sondern fördern den Weitblick und auch einen anderen Zugang zu nur scheinbar bereits beantworteten Fragen. Baric zeigt ein Haus für die Erinnerung. Ein großer rechteckiger Raum, der Fußboden vom Gelände abgehoben, der Zugang von unten, darüber ein Dach. Die Aussenwände werden von vier verglasten Regalen gebildet. Das Haus ist leer, das Licht im Raum kristallklar. Der Bewohner zieht ein, die Kamera verfolgt die Besitznahme. Die Regale füllen sich, mit Büchern, mit Bildern, mit Gläsern, mit Sammelstücken aus dem Leben des Mannes. Und mit jedem Objekt verändert sich das helle Tageslicht mehr hin zu einer aussergewöhlich intimen Atmosphäre.
Baric zeigt private Wohnhäuser. Sicher, was er zeigt, sind die Häuser der Reichen. Diese Häuser sind schön, sehr schön. Aber wenn archtektonische Qualitäten wie die Komposition mit dem Raumplan, die inszenierte Wegführung, die Lenkung des Tageslichtes, die Stellung des Gebäudes im Gelände, die Gestaltung der Freiräume, die Beziehung von Innen und Aussen noch gültige Parameter im Wert von Architektur sind, ist Baric mit 40 Jahren ein hervorragender Architekt.
Was uns Baric noch zeigt:
Man kann ein hervorragender Architekt mit 4o Jahren sein, ohne dass man sich mit der Attitüde von Schleifen, Faltungen, Brechnungen, Zerreißungen und anderem modischen Beiwerk dieser Architektengeneration umgibt.

Zum Schluss: Buffet und Wein waren sehr gut, Dank an Rosmann.

Aus dem HDA
Heinz Wondra
www.wondra.at

Verfasser/in:
Heinz Wondra "Kommentar"
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