06/12/2005
06/12/2005

Die in Graz 1607 – 1609 im Zuge der Gegenreformation hingestellte Alte Universität wurde jahrelang von ihren potentiellen, protestantischen Hörern gemieden. Und jetzt beinah 400 Jahre später, ähnliches bei der „7. Medien und Architektur Biennale Graz 2005 – 2007“. Die Handvoll Interessierter verlief sich in den dämmrigen Weiten der früheren Jesuitenuniversität. Und das trotz der interdisziplinären Vielseitigkeit, für die Architekten bzw. Architekturstudenten berüchtigt sind. Oder saßen die kolportierten 500 Besucher des mit LR Flecker und einem Buffet ausgestatteten Eröffnungsabends in der Neuen Galerie bei dem der Biennale beigefügtem Symposion „Postmediale Kondition“?
Seneca hat einmal gesagt, dass nichts gut sein kann, was allen gefällt. Es geht also weniger um den schwachen Zustrom des Publikums, oder überzogene Kosten, wenn sich auch diesbezüglich etwas Hausverstand einschalten ließe. Aber nach „D`Annunzios Höhle“ rubrizierte Regisseur Emigholz die Projektion seines Filmes zu Recht unter „Postmediale Kondition“. Bei der Vorführung seines tatsächlich sehr dunklen Filmes im barocken Nachmittagslicht war der Streifen eher zu ertasten, als zu erspähen. Bis auf den „Space II“ hinter dem Festsaal war aber jeder Ort ein schlechter Ort für die Filme. In dem zugigen Eingangsbereich neben Kasse, Cafe und Garderobe wäre selbst ein KIKA-Spot fehl am Platz gewesen, nicht zu reden von anspruchsvollen Architekturfilmen. Gleiches gilt für die zwei Großprojektionen im Foyer erster Stock und in „Space II“, ebenfalls Durchgangsbereiche.

Es scheint eine kulturpolitische Strategie zu geben, nach der anspruchsvolle Programme mit sehr viel Geld aber publikumsfeindlich inszeniert werden müssen. Die Projekte (und Filme) werden dabei zu ihren eigenen Aktien, um noch mehr Subventionen zu generieren, um noch größere, weiße Elefanten – internationale Hochkulturevents - zu veranstalten.
Es geht um den Respekt gegenüber den Künstlern und ihren Arbeiten, und natürlich auch gegenüber dem Publikum, das mehr Betreuung verdiente. Zur Betreuung gehörte beispielsweise die Möglichkeit sich auch jeden Film (wenigstens theoretisch) einmal ansehen zu können. Veranstaltungen, die diese Regel missachten, übernehmen sonst Züge jener Überwältigungskultur, die zu konterkarieren sie doch subventioniert werden. Wenn sich die Veranstaltung dagegen auf das Erzielen symbolischer Gratifikation reduziert, könnte man das Programm ja in überregionalen Blättern annoncieren ohne es wirklich stattfinden zu lassen: gewissermaßen postmedial konditioniert oder virtuell inszeniert. Die Eröffnung müsste dagegen ganz real bleiben, am besten schräg gegenüber in der Kantine für Landesbeamte (immerhin Burg!) stattfinden, zumindest so lange die Kultur in roter Hand ist. Linkskatholizismus mag ja sein, aber eine Kantine liegt doch noch basisnäher als eine Jesuitenuniversität. Und die Handvoll unverbesserlicher Filmfreaks bekommt einfach eine Box mit den Filmen auf DVD.

Verfasser/in:
Willi Henstler, Kommentar
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