12/12/2023

Die Kolumne Wolkenschaufler von Wenzel Mraček zu Lebensraum, Kunst und Kultur(-politik) erscheint jeden 2. Dienstag im Monat auf GAT.news.

12/12/2023
©: Zita Oberwalder

Indigo Tears, Severin Hirsch, 2023

©: Severin Hirsch

Gedicht Für Leo, Severin Hirsch, 2023

©: Severin Hirsch

Nach dem letzten gemeinsamen Essen, Severin Hirsch, 2023

©: Severin Hirsch

Schwarzes Loch (Boden), Indigo Tears (Wand), Ausstellungsansicht, Severin Hirsch, 2023

©: Severin Hirsch

„Der Raum, der bleibt, ist ein Raum, der verbindet“, schreibt die Grazer Künstlerin Severin Hirsch zu ihrer Ausstellung Tous ces mots pour toi qui sont restés en moi im Kunstraum RHIZOM.

Entgegen allen (in Folge hier noch verdeutlichten) Unwahrscheinlichkeiten hat Severin Hirsch mit ihrer Schau einen Raum installiert, der im Grunde nur aus seinem Kontext zu erfahren ist. Gespräche über Ideen für eine Ausstellung führte sie schon vor eineinhalb Jahren mit dem befreundeten RHIZOM-Vorstand Leo Kreisel-Strauß. Der rezente Termin wurde fixiert. Zu Anfang Oktober dieses Jahres aber verstarb Leo und Severin entwarf einen Plan für ein Treffen in dieser Ausstellung mit dem nun Abwesenden.

Da war zunächst ihre geträumte (!) Vorstellung einer von Leo präferierten Farbe, nach der sie eine präzise Mischung vornahm, die sie Leo Indigo nannte. Mit dieser entstand eine Reihe informeller Aquarelle, konform zu jenem Foto von Meer und Wellen auf Leos Gedenkkarte. In Erinnerung an ein letztes gemeinsames Essen im August, auch das (Selbst-?)Bild eines Mädchens mit Farbanalysen an dessen Rand, die in Leo Indigo münden.

Zentral im Raum steht eine Verstärkerbox, aus der Fragmente von Gedichten zu hören sind und Überlegungen zu Schwarzen Löchern im Weltraum. Die Box „ist ein Schwarzes Loch“, erzählt Severin. An der Wand gegenüber und mit dem Titel Indigo Tears, zwei in Beziehung stehende Fotografien, die wie astronomische Aufnahmen erscheinen. „Schwarze Löcher“, fährt Severin in ihrer Erklärung fort, „sind Objekte, deren Masse auf extrem kleines Volumen reduziert ist. In der nächsten Umgebung (der indigofarbene „Ereignishorizont“) entsteht derartige Gravitation, dass Licht, Masse, jegliche Information aufgesaugt werden und vielleicht im Nichts verschwinden. Es gibt allerdings“, sagt Severin, „die nicht bestätigte Vorstellung, dass ein Schwarzes die Öffnung zu einem Wurmloch sei.“ Und das führte in eine andere Galaxie, zu anderer Zeit, in eine andere Zeit. Diese Galaxie sei der Ort, an dem sich Leo und Severin – in der anderen Zeit – treffen: „Also hier, im Rhizom, jetzt“. In einem Raum, von dem wir nicht wissen, wo er sich befindet, wenn wir uns (zugleich) in Severins Ausstellung befinden. Leo, also, ist immer hier!

Und dieses (scheinbare) Paradoxon bestärkt der Wolkenschaufler mit einer auf seinem T-Shirt gedruckten Sentenz des Malers und Schriftstellers Anselm Glück – „Immer ist jetzt“.

An Audiostationen sind Gedichte von Severin Hirsch zu hören. „Liebesgedichte“, wie sie sagt, die bisher nicht veröffentlicht wurden. Die applizierten Worte auf den vier Geräten ergeben Severin dichtet undichte Stellen.

All die Indigo-Tränen
fallen
in die leere Zukunft
meine Schritte werden bleiben
und deine Schritte
nur in meinem Herzen

… versucht der Wolkenschaufler das eine zu übersetzen wie den französischen Titel des Treffens mit Leo inmitten Severins AnomalienAll die Worte für dich, die in mir geblieben sind.

Leo wollte einen Sprachkurs für Französisch in Belgien belegen. 
Dazu blieb ihm keine Zeit mehr. 
Oder bleibt ihm jetzt Zeit? 
Wenn/wann immer jetzt ist!?

 

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Severin Hirsch. Tous ces mots pour toi qui sont restés en moi
Sound, Installation und andere Anomalien

RHIZOM, Annenstraße 52, Graz.

Noch zu sehen am Donnerstag, 14. und Freitag, 15. Dezember 2023, jeweils 17 bis 20 Uhr. Die Künstlerin ist an beiden Tagen anwesend.

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