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Wien

Polizei lügt. Peter Weibel

©: 21er Haus - Museum für zeitgenössische Kunst

Die Absage an einen gesellschaftspolitischen Konservatismus mit traditionellen geschlechts- und klassenspezifischen Rollenbildern spiegelte sich Ende der 1960er-Jahre in tiefgreifenden künstlerischen Aufbrüchen wider: Unkonventionelle Querdenker nahmen die Auflösung und Durchmischung der vormals streng getrennten Genres Kunst und Architektur in Angriff. Dabei wurde der menschliche Körper zum zentralen Medium und Motiv für performative und raumbezogene Kunstformen, die das Verhältnis zwischen Individuum und Umwelt kritisch hinterfragen bzw. visionär zu bestimmen versuchten.

In diesem Umfeld sowie im Gefolge der Wiener Gruppe und des Wiener Aktionismus formierte sich eine junge Kunst- und Architekturszene, deren Protagonisten mit Blick auf die Neuerungen in Gesellschaft, Wissenschaft und Technik experimentelle und alternative Lebens- und Gestaltungsformen vertraten. Der in Odessa geborene Peter Weibel war eine der umtriebigen Hauptfiguren dieser Szene, in der sich die Künstler nicht mehr hinter dem Werk verbargen, sondern mit ihrem Auftreten Teil eines Gesamtkonzepts wurden, in dem Akteure und Rezipienten nicht mehr zu unterscheiden waren.
Der Künstler, Kurator und Kunsttheoretiker, der seit 1999 Vorstand des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe ist, gehörte in den 1960er- und 1970er-Jahren zu den Rebellen der spezifisch österreichischen Art, deren Regierungsattacken sich mit Skurrilität und einer Wiener Melange von angewandter Psychoanalyse bis Zentralfriedhofsmelancholie verbanden.
Weibels Werk ist nicht durch autobiografische Signatur geprägt, sondern durch Themenfelder und Problemzonen wie die Mechanismen der Wahrnehmung und des Denkens, die Eigenwelt der Apparatewelt, die Krise der Repräsentation, des Bildes und des Museums, die Beziehung von Kunst, Politik und Ökonomie, die Bedingungen des Betriebssystems Kunst. Daraus ergibt sich ein Werk, das in der Pluralität seiner Methoden und in der Kohärenz seiner Problemstellungen den Entwurf eines neuen Werk- und Künstlerbegriffs in seltener Radikalität vorlegt und das nicht nur bis heute bereits viele junge Künstler beeinflusst hat, sondern dies auch im 21. Jahrhundert tun wird.

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