20/06/2023

Schau doch! 32
Burgfriedsteine 3 – Die Gerichtsgrenze am rechten Murufer

Die Kolumne Schau doch! von Peter Laukhardt erscheint jeden dritten Dienstag im Monat auf GAT.

20/06/2023

Bild 1 Die Burgfriedsgrenze entlang der Alten Poststraße (von Westen gesehen)

©: Peter Laukhardt

Bild 2 Karlau, Tiergarten und Hochgericht, Weintazkarte 1750 (von Osten gesehen)

Bild 3 „Stadtplan“ von ca. 1800

Bild 4 Muhrstromkarte von 1809-20

Bild 5 Puchstraße 124, ehem. Mauthaus

©: Peter Laukhardt

Bild 6 Ehem. Linienamt an der Murterrasse beim Hochleitenweg

©: Peter Laukhardt

Bild 7 Wagner-Jauregg-Straße 14. Schwimmbad von 1915

©: Peter Laukhardt

Bild 8 Plachelhof, Keller-Portal von 1746

©: Peter Laukhardt

Bild 9 Plachelhof, Franz. Kataster 1809

Bild 10 Alte Poststraße mit „Schanzen“, 1840

©: Peter Laukhardt

Bild 11 Kriegerkreuz am Zentralfriedhof an der Stelle des einstigen Galgens

©: Peter Laukhardt

Bild 12 Alte Poststraße am Stadtplan von 1912

Bild 13 Altes Galgenkreuz (Slg. Kubinzky)

Bild 14 Lindenkreuz bei Don Bosco 1938 (Slg. Kubinzky)

Bild 15 Alte Poststraße 108, eh. Linienamt

©: Peter Laukhardt

Bild 16 Hödls Ziegelofen um 1820 (Aquarell Arbesser, 1888)

Bild 17 Grenzlinie im Norden 1875

Bild 18 Babenbergerstraße 107, ehem. Leuzenhof

©: Peter Laukhardt

Bild 19 Wiener Straße 91, ehem. Drahtstiftenfabrik Bergmann (Slg. Kubinzky)

Bild 20 Zeillergasse 75, hier stand der Burgfriedstein Nr. 25

©: Peter Laukhardt

Die Beschreibung der westlichen Grenze des Grazer Gerichtsbezirkes schien mir zunächst ein sehr einfaches und vielleicht auch unergiebiges Thema, weil man ja einfach sagen könnte: Von der Mur gegenüber der heutigen Seifenfabrik verlief die Grenzlinie zur Alten Poststraße und diese entlang bis zur heutigen Nr. 107 (das ehem. „Linienamt“), dann über Wiener Straße und Zeillergasse schließlich zur Mur in der Nähe der Einmündung des heutigen Schleifbaches.

Die Skizze (Bild 1) mit Blick aus Westen und der Auszug der „Weintaz-Karte“ (Bild 2) mit Blick aus Osten zeigen die schräg verlaufende Altstraße recht gut. Die interessante, da dreidimensionale Karte von ca. 1750 zeigt nicht nur wichtige Taxstationen, wo der Weinverkehr besteuert wurde, sondern auch weitere spannende Einzelheiten. Dass sie von der Zeitstellung her mit dem Bereitungsprotokoll von 1749 gut harmoniert, ist eine wichtige Hilfe für die nicht überall ganz klare Linie der Gerichtsgrenze.

Warum gerade die Alte Poststraße so wichtig war, dass sie die Grazer unbedingt in ihren Rechtsbereich einbeziehen wollten, ist leicht erklärt: auf ihr wäre es dem Nord-Süd-Handelsverkehr möglich gewesen, die Stadt und damit das Recht der Grazer auf „Niederlage“ zu umgehen: die Kaufleute hätten sonst nicht ihre Waren verpflichtend in der Stadt abladen und zum Kauf anbieten müssen. 

Es ist ein Verkehrsweg, auf dem schon in der Römerzeit zwischen dem Municipium Flavia Solva bei Leibnitz und dem nördlichen Norikum starkes Treiben geherrscht haben muss. In gerader Linie zieht sich die Straße von Wagnitz über Feldkirchen – zwei dort gefundene römische Meilensteine sind im Zentrum aufgestellt  – bis nach Gösting. Während sich die noch ältere Straße den Abhängen des Plabutsch entlang wand, zogen die römischen Straßenbauer eine schnurgerade Linie durch das Grazer Feld. Es ist fast unerklärlich, warum auf dieser langen Strecke im heutigen Grazer Stadtgebiet noch keine archäologische Befundung der Straße publiziert wurde. 

Im Stadt-Privileg, das Herzog Wilhelm am 19. November 1396 in Bruck an der Mur den Grazern ausfertigte, erfüllt er ihre Bitte und erwähnt nun ausdrücklich den Ausgangspunkt der Gerichtsgrenze, die das „Dorf Tobl“ umfassen sollte: „Also göben wür Inn von sondern genaden, dasselbe Gericht, auch daselbst zu Tobl Jnn dorff, in aller der masß, vnd mit allen den rechten, alß sy daß in andern dörffern, in Ihren Purkhfridt gelegen habendt.“

In diesem Dorf Tobel, mit dem das Gebiet bis nahe an Wagram und Puntigam für das Stadtgericht erworben wurde, sehe ich das später abgekommen „Nieder Tobl, so vormals ein Dorf gewesen seyn solle“, wie es in der Burgfriedbereitung von 1749 heißt. Das von der Geschichtsforschung nie eindeutig lokalisierte Dorf dürfte in Folge von Überschwemmungen der Mur bzw. ihres westlichen Seitenarms untergegangen sein; dass hier schon früh gesiedelt wurde, beweisen u. a. Funde aus der frühen Bronzezeit, die in einer Schottergrube der Laubgasse aufgedeckt wurden.

„Niedertobel“ erstand zum Teil wieder im Stadtteil vom Karlauplatz bis zur südlichen Herrgottwiesgasse mit dem Schloss „Karlau“, das zunächst „Schloß Tobel“ hieß (Bild 3). Erzherzog Karl II., seit 1564 Herrscher über Innerösterreich, hatte 1580 – 1590 mit anderen Gründen einen alten Hof aufgekauft (es ist der auf Bild 1 gut erkennbare „Zechnerhof“, der auch als Weissenhof oder Seenußhof bezeichnet wurde). Auf den erworbenen ausgedehnten Gründen ließ Karl von 1584 bis 1590 von den italienischen Baumeistern Antonio Dionisio Tadei und Antonio Marmoro im Stil der Renaissance ein prächtiges Jagd- und Lustschloss bauen (Bild 3), das aber nach dem Abgang des Hofes nach Wien 1619 seine Bedeutung einbüßte; auch höfische Feste wie jenes des Jahres 1675 bei der Hochzeit Kaiser Leopolds I. mit Erzherzogin Claudia Felicitas von Tirol, konnten darüber nicht hinwegtäuschen. Ab 1803 wurde hier das Provinzstrafhaus „Karlau“ eingerichtet.

Dem Besitz des Erzherzogs war auch ein großer „Tiergarten“ angegliedert, wie er auf Bild 2 ebenfalls gut zu erkennen ist, allerdings in einem sehr klein gewordenen Umfang. Der Begriff „Tiergarten“ darf nicht im heutigen Sinne verstanden werden, es war ein umzäuntes Gelände, in dem der Landesfürst seine Jagdleidenschaft – vorwiegend auf Damwild, Fasanen etc.  – ausleben konnte.

Wie die „Murstromkarte“ von 1809-20 zeigt, gab es damals noch in Rudersdorf einen „Fasangarten“, am heutigen Tiergartenweg ist auch ein „Jägerhaus“ darauf noch eingezeichnet. Noch 1675 war anlässlich der in Graz stattfindenden Hochzeit Kaiser Leopolds I. mit Erzherzogin Claudia Felicitas von Tirol im Schloss ein höfisches Fest abgehalten worden. In einigen heutigen Straßenbezeichnungen hat der Begriff überlebt (Auf der Tändelwiese, Falkenturmgasse, Fasanturmweg, Rebhuhnweg, Tiergartenweg usw.).

Nun prüfen wir, was die Burgfriedbeschreibungen hergeben. Die Bereitung 1673 besagt: Erstens fangt sich das Gräzerische Purkfrid an in der Carlauer Auen neben des kayserlichen Türgarten bey einem gesezten Rainstain. von danen schrög aufwerts an der Wagramber Grund zu einen Rainstain.

Wie am 3. September 1749 die Grenzkommission die Bereitung am rechten Murufer fortsetzte, besagt das Protokoll: „… von der Muhr grad herüber an der Aue, linker Hand am Weg auf der daselbst anfangenden kleinen Anhöhe, nächst dem Tiergarten, allwo der 20. Marchstein stehet, von dar neben dem Weg weiters schreg aufwerts durch den Tiergarten, und über die Wiesmader gegen die Waggramer Felder, und Nieder Tobl, so vormals ein Dorf gewesen seyn solle, und so weit sich dieselben Grund erstrecken, der Magistrats Burgfrieds District sich zu ergeben erfunden worden. Sodann über die Waggramer Felder an der Landstraße so zum Mauthaus führet, stehet der 21. Marchstein."

Der genaue Verlauf der Grenze ist heute schwer zu lokalisieren, schon Gustav Pscholka sagte 1912: „Deshalb kopierte ich in der beigelegten Karte „den Plan der k. k. Provinzialhauptstadt Graz und der umliegenden Gegend." Ich habe den Ausschnitt dieses Planes bearbeitet (Bild 3) und festgestellt, dass Pscholkas Skizze vom Plan abweicht: Die Grenze führte nach dem Plan von der Mur zum heutigen Mühlgang, etwas oberhalb jenes Punktes, wo vom Hauptarm ein „Fluder“ abzweigte, der die Rusterholzer, spätere Ohmayer Mühle bediente und eine kleine Insel bildete – knapp oberhalb der Mühle war schon 1829 die erste Grazer Militär-Schwimmschule entstanden und schließlich löste 1897 das alte Puchwerk die ganze Anlage ab.

Auf Höhe der Mühle wandte sich die Grenzlinie von 1800 nach Westen und führte zur Herrgottwiesgasse. Wenn man jetzt die ansonsten leider sehr undeutliche „Mappa“ des Joseph Franz Freiherrn de la Porta von 1788 zur Hand nimmt, zeigt sich an der Kreuzung mit der heutigen Hochleitengasse das Zeichen für „Burgfrieds Stein“, hier müsste also Stein Nr. 20 gestanden haben. Dass das spätere Mauthaus aber nicht hier, sondern weiter östlich an der Puchstraße lag (Bild 5), dürfte mit dem später hier stärkeren Verkehr zusammenhängen.

Die 1807 vom Bombardier-Corps verbesserte Karte in der Österr. Nationalbibliothek hat den Stein an derselben Stelle, weist aber zusätzlich in der Alten Poststraße einen weiteren, somit den 21. Stein auf. Vom Hochleitenweg stieg die Grenzlinie also mit einem Nebenweg zur heutigen Triester Straße an – das noch heute hier den Abhang beherrschende Haus Nr. 265 (Bild 6) war das spätere „Linienamt“ –und folgte ihr dann bis „Pundigam“. Aus den späteren Stadtplänen ist deutlich zu erkennen, dass die Grazer ihren Gerichtsbezirk bis zu jener Straßengabelung im Süden ausdehnen konnten, an der von der Alten Poststraße die heutige Triester Straße in Richtung Stadt abzweigt.

Im Zwickel der Einmündung der Alten Poststraße, Triester Straße Nr. 330, wird schon 1747 das Haus eines S. Payr genannt, auf der Karte von 1807 ist es der „Haasische Hof“, 1886 führte hier Margarethe Mayer den „Spitzwirt“.

In der Nähe des Brauhauses Puntigam – dessen Schutzwürdigkeit das Bundesdenkmalamt auf meine Bitte hin gerade prüft – müsste sich das im Bereitungsprotokoll von 1749 genannte Mauthaus befunden haben: „an der Landstraße so zum Mauthaus führet, stehet der 21. Marchstein“. Pscholka sah den Stein noch nördlich der Einmündung der Alten Poststraße, ungefähr beim heutigen Haus Nr. 444; hier zeigt ihn auch die erwähnte Karte von 1807.

Eine interessante Anlage an der alten Römerstraße ist die Adresse Wagner-Jauregg-Straße 14, mit ihrem 1915 von italienischen Kriegsgefangenen erbauten, heute unbenutzten Schwimmbad (Bild 7). Etwas abseits liegt rechter Hand der „Plachelhof“, der lt. Inschrift auf dem Keller-Portal im Jahr 1746 vom Brauer Jakob Rusterholzer offensichtlich einem grundlegenden Umbau unterzogen wurde (Bild 8); auf der Muhrstromkarte von 1809-20 ist er dann der „Rothische Mayerhof“, die Karte zum Franzisz. Kataster von 1829 zeigt ihn als bedeutendes Anwesen mit Ziergarten (Bild 9). Den Hof bewirtschaftete von 1850 bis 1887 der pensionierte Regimentsarzt Dr. Mathias Musil, Großvater des Dichters Robert Musil („Der Mann ohne Eigenschaften“).

Die vermeintlichen Türkenschanzen

Die Fortsetzung der Gerichtsgrenze nach Norden verläuft nach den Beschreibungen von 1673 und 1749 fast übereinstimmend nach der „mitteren Straßen“ (eben der heutigen Alten Poststraße) aufwärts bis zu den „Schanzen“ und außer den „Schanzen“ um das Hochgericht herum. 

Der Grazer Physikus Dr. Stefan Benditsch wunderte sich 1808 über einen großen Wall bzw. eine Schanze von 2 – 5 Klaftern Höhe. Pscholka bedauerte 1912 noch, diese „Schanzen“ und die Lage des „Hochgerichts“ nicht angeben zu können. Fritz Popelka meinte 1934 in einem Aufsatz, das landesfürstliche Lustschloss Karlau hätte wohl eine einfache Befestigungsanlage erhalten, die in Verbindung mit den Schanzen an der alten Poststraße unterm Lindenkreuz den Süden der Murvorstadt sicherte.

Auch in der 2003 von Walter Brunner herausgegebenen Stadtgeschichte ist im Lexikonteil noch zu lesen: „Nahe der im Jahr 1838 gegründeten Brauerei Puntigam (die Überlieferung nennt ein Brauhaus schon 1772) war noch um das Jahr 1870 eine Schanze zu sehen, die den Namen „Türkengraben“ trug und der Überlieferung nach aus dem Jahr 1532 datieren sollte; sie sollte den Übergang des türkischen Hauptheeres über die Mur schützen und einen eventuellen Angriff eines kaiserlichen Heeres aus dem Norden decken.“

Alle diese Vermutungen sind wohl ins Reich der Phantasie zu verweisen. In Wirklichkeit handelt es sich um jenen steilen Abbruch, der den Rand des von der Mur seit der Vorzeit umspülten Grazer Feldes bezeichnet, und den u.a. das Steilstück, das man vom Tiergartenweg auf die Terrasse der Triester Straße überwinden muss. Richtigerweise nennt man ihn „Wagrain“, so wie das unterhalb der Brauerei Puntigam gelegene ehemalige Dorf; er erstreckt sich vom Süden bis nach Gösting im Norden.

Im Bereich des späteren Zentralfriedhofs gab es – so zeigt uns ein Plan von 1840 – allerdings einen kurzen schluchtartigen Einriss (Bild 10). Noch bei der Anlage des Friedhofs ab 1884 wurde festgestellt, dass „bei der sogenannten Türkenschanze in der Mitte des Friedhofes“ das westlich gelegene Terrain zwischen der Schanze und dem Bahndamm um fünf Meter höher war als der östliche, an die Triesterstraße grenzende Teil. Heute ist im Friedhofsareal nur eine sehr abgeflachte Steigung zu erkennen (Bild 11).

Wir kommen nun in den Bereich des alten Hochgerichts. Der Galgen (siehe Bild 2) stand ungefähr dort, wo heute am Kriegerfriedhof im westlichsten Teil des Zentralfriedhofs das große Betonkreuz steht (Bild 11), jedenfalls aber westlich der Straße. Da dieser Richtplatz schon 1621 in der Burgfriedbeschreibung erwähnt ist, scheint das Hochgericht spätestens zu Beginn des 17. Jahrhunderts von der Murvorstadt weiter stadtauswärts zu dieser „Landt Strassen“ gerückt zu sein, wozu an dieser Stelle der Burgfried der Stadt, also die Grenze der Gerichtsbarkeit, weiter hinausgeschoben wurde; die heute bestehende „Umfahrung“ der Alten Poststraße im Westen wird aber zum ersten Mal auf einem Stadtplan von 1912 dargestellt (Bild 12), dürfte also erst nach dem Bau des Zentralfriedhofs ab 1884 entstanden sein. Pscholka erwähnt noch 1912 einen Weg durch das Friedhofsareal.

Wo nun die Alte Poststraße – auf der Riedkarte von 1829 heißt sie tatsächlich „Galgenstraße“ – auf die Kapellenstraße stößt, steht knapp vor der Bahnunterführung rechter Hand noch heute das „Galgenkreuz“, das entweder von der Richtstatt hierher versetzt wurde oder vielleicht auch nur den Weg zum Hochgericht kennzeichnete; es scheint sich aber um eine Kopie zu handeln (eine alte Aufnahme, Bild 13). Die Gegend der Stadtrandsiedlung nördlich der Kapellenstraße wurde vermutlich deshalb noch um 1930 „Galgenviertel“ genannt.

Der weitere Verlauf der alten Grenzlinie wird 1749 wie folgt beschrieben: „von dannen, nach derselben Straße aufwerts, bis zu der Weg Scheiden, oder Kreuz Straße, so von Gratz auf Strasgang, und St. Mörthen gehet, darbey ein Kreuz, das Linten Kreuz genannt …“.

Bild 14 zeigt die in den Kriegswirren verloren gegangene Säule des Lindenkreuzes um 1938, daneben die Oberleitung des nach Straßgang fahrenden O-Busses. Der Kirchturm im Hintergrund gehört zur Kirche Don Bosco, die 1934 als Notkirche aus einem großen, 1775 erbauten Pulvermagazin entstand.

Im weiteren Verlauf der Grenze entlang der Alten Poststraße wird im Bereitungsprotokoll 1673 noch die Kreuzung mit der Richtung Steinberg führenden Friedhofgasse wie folgt erwähnt: „alda auf der Rechten deren von Graz Mautheüsl und auf der linken Seiten das Stainhaus, so iezo Herr Dr. Julius Tentius inenhat, dabey auch ein gemauertes Creuz“; Dr. Tentius war fürstlich Eggenbergerischer Rentmaister, und nahm auch für das fürstliche Eggenbergische Landgericht an der Bereitung teil. Das Mauthaus musste vor einigen Jahren dem Neubau des ÖAMTC weichen, aus dem Steinhaus wird 1697 die Brauerei am Steinfeld, die ab 1853 von den Brüdern Reininghaus ausgebaut wird.

Beim späteren Linienamt in der Alten Poststraße 107 (Bild 15) ist der ebenfalls verschollene Burgfriedsteine Nr. 22 zu lokalisieren. Hier biegt die Grenzlinie nach Osten ab – entlang einer „Straßen, welche von Allgerstorf auf Lizendorf gehet“. Ganz in der Nähe dieser Stelle stand im 19. Jh. der als romantische Ruine gestaltete Ziegelofen (Bild 16), von Dr. Bonaventura Hödl, der ja um 1820 Teile des zerstörten Schloßbergs neu bepflanzte. 

Eine heute nur mehr als Durchgang erkennbare Verbindung hieß 1926 noch Gaussgasse, ihre Verlängerung zwischen Bahnhofgürtel und Babenbergerstraße hieß Johann-Meyer-Gasse; 1749 war es jene, die „einwerts zu der Weg-Schaid auf Leitzendorf zu den 23 ten Marchstein“ führte. Diese Kreuzung muss heute die von Mariengasse und Papiermühlgasse sein (Stadtplan 1875, Bild 17). Der dem Viertel den Namen gebende denkmalgeschützte, aber leider heruntergekommene Leuzenhof, lag etwas weiter nördlich, heute Babenbergerstraße 109 (Bild 18), demnach also außerhalb des städtischen Gerichts.

Ich widerspreche jetzt der Ansicht Pscholkas, und sehe den weiteren Verlauf der Grenzlinie nicht in der Leuzenhofgasse; es kann nur die Papiermühlgasse gemeint sein, die über eine vom Mühlgang gebildete kleine Insel direkt zum Haus Wiener Straße 91 geht. 1673 heißt es „nach der Straßen abwerts über den Milgang zu der Vierholzerischen iezo aber Graf Trautmanstorfferischen Mil, dabey auch ain Rainstain", 1749 „nach der Straße abwerts über den Mülgang, zu der Füchholzerischen, nachhin Graf Trautmanstorfischen nunmehro aber so genannten Gräßlischen, oder Hartingerischen MalMül zu dem daselbst sich befindlichen 24. Rainstein".

Die hier genannten Mühlenbesitzer sind mir aus anderen Quellen nicht ersichtlich geworden, die Mühle soll um 1500 als Papiermühle Leuzenhof entstanden sein, war ab 1684 im Besitz der Jesuiten, nach deren Aufhebung ab 1793 im Besitz des aus einer Mainzer Familie stammenden Buchdruckers Andreas Leykam. Heute ersetzt ein Wohnhaus die im Krieg zerbombte ehemalige Drahtstiftenfabrik Bergmann (Bild 19), die letzte Nachfolgerin jahrhundertealter Mühlen, auch der ältesten Grazer Papiermühle. Hier sah noch Popelka 1928 den heute verschollenen 24. Burgfriedstein.

Die Grenzlinie lief dann durch ein gegenüber liegendes Tor gerade weiter zur Zeillergasse, wo Popelka den 25. und letzten Burgfriedstein noch vor dem Haus Nr. 75 als den am besten erhaltenen beschrieb (das Foto aus seinem Buch haben wir im 1. Teil dieser Serie, Schau doch! 30, gebracht).

Im April 2017 hat sich Frau Margarethe Strini noch an die einstige Lage des Steins erinnert. Der schöne Stein mit dem Panther hätte sich bis in die 1940-1950er Jahre rechts von der Einfahrt zum Haus Zeillergasse 75 befunden; als Kind sei sie immer vom Stein heruntergesprungen. Warum der Stein verschwunden ist, wusste sie nicht mehr. 

Sie erzählte, dass das Grundstück ursprünglich halb zur Stadt, halb zum Land gehört habe, was darauf hinweist, dass hier die Burgfriedgrenze durchlief. Das Wohnhaus wäre zu Ostern 1945 von Bomben getroffen und weiter hinten wieder aufgebaut worden. Ich habe später im gerade trockenen Schleifbach etliche Steintrümmer untersucht, aber vom verschollenen Stein keine Spur entdecken können.

Das letzte Stück der Burgfriedsgrenze verlief dann entlang des Schleifbaches bis zu seiner Einmündung in die Mur, lt. Burgfriedbeschreibung gegenüber der Rottal-Mühle (heute Körösistraße 82). Damit hat sich der Kreis unserer Wanderung entlang der alten Grazer Stadtgerichtsgrenze geschlossen.

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