18/07/2023

Schau doch! 33

Durchgang verboten!?
Fall 4: Herrengasse

Die Kolumne Schau doch! von Peter Laukhardt erscheint jeden dritten Dienstag im Monat auf GAT.

18/07/2023

Bild 1: Durchgänge Herrengasse 1, 3 und 5

©: Peter Laukhardt

Bild 2: Herrengasse 1, 3 und 5 (Erbhuldigung, Flurer 1728)

Bild 3: Herrengasse 5, Portal

©: Peter Laukhardt

Bild 4: Kreuzgratgewölbe in der Einfahrt

©: Peter Laukhardt

Bild 5: Herrengasse 5, Hofarkade

©: Peter Laukhardt

Bild 6: Stiegenaufgang zu Prokopigasse 8

©: Peter Laukhardt

Bild 7: Herrengasse 3, Freskenfassade

©: Peter Laukhardt

Bild 8: Herrengasse 3, Rustikaportal mit Löwenköpfen

©: Peter Laukhardt

Bild 9: Herrengasse 3, „gotische“ Passage

©: Peter Laukhardt

Bild 10: Herrengasse 3, Flügel der Hoftüre

©: Peter Laukhardt

Bild 11: Herrengasse 3, Hofarkaden

©: Peter Laukhardt

Bild 12: Herrengasse 3, Eingang von Prokopigasse 6

©: Peter Laukhardt

Bild 13: Herrengasse 1, Portal

©: Peter Laukhardt

Bild 14: Herrengasse 1, Pawlatschengänge im nördlichen Hoftrakt

©: Peter Laukhardt

Bild 15: Herrengasse 1, Ausgang zu Prokopigasse 4

©: Peter Laukhardt

Nach einer längeren Unterbrechung setzten wir nun unsere Erkundung der (verbotenen oder willkommenen) Durchgänge fort. Es ist die Herrengasse, die noch zu Ende zu behandeln ist. Die Herrengasse wird erstmals 1261 genannt, aber damals als Judengasse. Das ist so zu interpretieren, dass man hier in die Richtung des Judenviertels ging (dessen vermutliche Lage ich in Schau doch! 25 skizziert habe).

Herrengasse 5 – das Poschische Haus.

Wir schließen an den „Glockenspiel-Durchgang“ von Herrengasse 7 an und beschreiben das nördlich davon gelegene Haus Herrengasse 5. Hier bin ich ebenfalls oft zur Prokopigasse durchgegangen, was aber seit etlichen Jahren nicht mehr möglich ist; ein Friseurbesuch kann aber Zugang in den Innenhof bieten.

Das Haus wird schon in der Quartiersbeschreibung von 1596 als im Besitz eines Ulrich Holzer erwähnt, stammt aber im Kern aus dem 15./16. Jahrhundert. Wie die Inschrift über dem schönen rundbogigen Renaissance-Portal mit Rustika-Rahmen (Bild 3) sagt, wurde es 1629 entscheidend umgebaut. 

Auf dem Stich von Flurer (Bild 2) zeigt es sich 1728 mit dem viel prominenteren Nachbarhaus Herrengasse 3 fast identisch. Ein Erker ziert die nördlichste Fensterachse. Der bürgerliche Chirurg Leopold Scherff ließ das Haus 1790 aufstocken; damals erhielt es seine aktuelle josephinisch-klassizistische Plattenstilfassade. 

Der wohl nicht welterbegerechte verglaste Zugang durch die Einfahrt führt uns durch ein Kreuzgratgewölbe aus 1690 (Bild 4) in den Innenhof. Ein schönes, schmiedeeisernes Gitter versperrt linker Hand den Stiegenaufgang. Wir blicken im Hof zurück und sehen im ersten und zweiten Obergeschoß früher offene Fenster-Arkaden mit einer Mittelsäule (Bild 5).

Erst 1758 wurde das Hinterhaus Prokopigasse 8 abgetreten. Vom Innenhof führt seither ein gedeckter Stiegenaufgang in das Obergeschoß; mit seinem von Holzsäulen gestützten Dach ist er eines der romantischsten Bau-Elemente in unserer schönen Altstadt (Bild 6).

Herrengasse 3 – der Herzogshof

Der ehemalige herzogliche Lehenshof ist durch seinen in Österreich beispiellosen Freskenschmuck als „Gemaltes Haus“ berühmt (Bild 7). 1360 bestätigte Herzog Rudolf IV. Hansen dem Paur, Verwalter des Lehenshofes, die Privilegien und löste das Haus zwischen den Thuehlaben (Tuchlauben) und dem Haus des Scheffler von der Steuerverpflichtung. 

Wenn aber der Landesfürst zur Huldigung und zur Bestätigung der Lehen nach Graz kam, musste dafür der jeweilige Verwalter im Hause einen Thronsessel auf eigene Kosten aufrichten. 1453 wurde dieses Privileg noch einmal von Kaiser Friedrich III. bestätigt. 

Erzherzog Ferdinand widmete das Haus 1600 seinem Bruder Maximilian Ernst und ließ es mit Fresken von Pietro de Pomis schmücken. Leider sind sie auf der Ansicht von 1728 nur mehr zu erahnen. Das damals ansonsten noch unscheinbare Haus wurde von den Grafen Herberstein 1739 an den Wechsler (Bankier) Franz von Lathurner verkauft, der es 1742 aufstockte und vom Vorauer Maler Johann Mayer, einem Schüler von Cyriak Hackhofer, mit Fresken schmücken ließ, die Götter und Schlachtenszenen darstellen. 

Unglaublich: 1913 wollte man die Fresken im 1. OG für das Werbeschild einer Wiener Bankfiliale entfernen! 1924 gelang eine Sanierung durch den Großkaufmann Josef Spitzy. Der Baukomplex wurde zuletzt für das Grazer Kulturhauptstadtjahr 2003 umfassend erneuert. 

Schon das schöne Rustikaportal mit den Löwenköpfen und dem schönen Gewerbeschild (Bild 8) zeigt, dass wir es mit einem besonders noblen Bau zu tun haben. Der Durchgang zum Hof zeigt noch gotische Torlaibungen, die erst bei der Renovierung vor etlichen Jahren aufgedeckt wurden (Bild 9). Die eisenbeschlagenen, schön verzierten roten Torflügel (Bild 10) wurden versetzt und dienen jetzt als Hoftor. 

Der Hof zeigt großzügige, teilweise verglaste Arkadengänge in zwei Geschossen mit jeweils 9 Bögen (Bild 11), an der Nordseite sind in den ehemaligen Stallungen mit Kreuzgratgewölben jetzt Verkaufsräume untergebracht. 

Der Ausgang zur Prokopigasse 6 besitzt wieder schöne Kreuzgratbewölbe (Bild 12).

Herrengasse 1 – der ehemalige Salzburger Hof

Das Erzstift Salzburg, neben dem Herzog der bedeutendste Großgrundbesitzer im Land, besaß in Graz einen Hof „am Platz“, als Absteigequartier für den Erzbischof und seine Beamten.  

Später wird der Erzbischof aber von der Selbstverwaltung auf die Verlehnung an angesehene Familien übergegangen sein. 
So bekommt Peter Půcher 1424 vom Erzbischof von Salzburg das Haus zu Grätz gegen der Schrann übergelegen auf Lebenszeit überlassen. Dafür verpflichtet sich Pucher wie folgt:

Ich sol und will auch die zehen und dreyztzehen schilling pfenning, die man zu der Stat davon järlich dient, dasselbhin geben und ausrichten, und irn und seinen nachkomn, und iren Vitztumb zu Leybentz und iren Räten und Dienern mit Pett und Pettgewant, auch mit Sträu und andern notdürften, als denn vorherkomm ist, und ander wirt in demselben haus getan habent, wart und sein, wann der obgenant mein gnadiger Herrn, oder diselbete sein Vitztumb und Amt gen Gretz kann an gewendn. Si mugen und sullen auch in dem obgenanten iren Haus ir Kästen haben zu irem getreyd und wein, als von altem herkomm ist ….

Daraus ist auch klar ersichtlich, dass diese Form der Verwaltung schon lange geübt worden war, weiters dass das Erzstift hier einen Keller eingerichtet hatte, in dem die von den Untertanen abgelieferten Zehente eingelagert wurden; seine Reste finden sich meiner Meinung nach in den schönen Säulen-Gewölben an der Ecke Pomeranzengasse – Prokopigasse.

Die Ansicht Josef von Zahns – 1905 in seiner Styriaca, Band III, geäußert – bei der in der Urkunde genannten Schranne handle es sich um das spätere Rathaus, wurde durch die Ausgrabungen am Hauptplatz im Jahre 2000 bestätigt; hier gab es vorher niemals einen riesigen Platz bis zum Landhaus, wo die Historiker lange die Schranne sahen; der neue Platz dürfte erst in der 1. Hälfte des 15. Jhs. angelegt worden sein.

1496 ist die erste Verleihung des Hofes nach Lehensrecht dokumentiert, als der Hof „am Markt“ an Georg von Weisseneckh und seine Erben im Mannesstamme gegeben wurde.
Als ein späterer Besitzer, Georg Ernreich Graf Trautmannsdorf, 1669 nur drei Töchter hinterließ, wollte die Salzburger Kanzlei deren Erbe bestreiten. Schließlich setzte sich Hans Sigmund Steinpeis für seine Frau und seine zwei Schwägerinnen in den Besitz des Hauses. Das Haus war damals das niederste der Herrengasse und so „abscheulich“, dass es die ganze Gasse verunzierte; für eine Aufstockung musste ein neues Fundament gelegt werden. 

Nun zum Gebäude in seiner heutigen Gestalt: Das Objekt ist schon sehr lange von einer bekannten Schuhfirma wirtschaftlich genutzt. So wurde 1961 auch der historische Torbogen entfernt (Bild 13). Im Inneren ist keine alte Struktur mehr erhalten, ausgenommen im Nordflügel des Hofgebäudes; hier sind noch die ehemaligen Stallungen als Verkaufsgewölbe gestaltet.

Dieses nördliche Hofgebäude ist auch noch von schönen Pawlatschengängen geziert, die allerdings erst aus 1861 stammen (Bild 14); ein Teil musste gerade abgepölzt werden. Die rechte Seite des Hofes zeigt die Nordfront des Herzoghofs, der auch schon durch Betonpfeiler abgestützt wird. 

Der Ausgang durch das Haus Prokopigasse 4 zeigt wieder einen kreuzgratgeschmückten Gang, und als Abschluss zur Gasse ein Tor mit schönen Beschlägen (Bild 15). 

Mit diesen drei Durchgängen ist unsere Erkundung in der Herrengasse, aber noch lange nicht für die ganze Grazer Innenstadt  abgeschlossen. Wir werden noch einige weitere, nicht allen bekannten Passagen aufsuchen und über interessante historische Fakten berichten.

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