21/04/2021

gelungen | nicht gelungen 8.1

NICHT GELUNGEN. Der Unort Pfauengarten, Teil 1 von 3

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Artikelserie von Bernhard Hafner zum Thema Pfauengarten in Graz,
Bestand, Nutzung, Planung und Bebauung.

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21/04/2021

Abb. 1: Bebauung "Pfauengarten", Draufsicht. Ausschnitt aus "Stadtkarte Graz", siehe Link > geodaten.graz.at

©: Stadt Graz

NICHT GELUNGEN. Der Unort Pfauengarten, Teil 1 von 3

Bebauung: Hotel, Wohnanlage, Büros (Abb. 1)
Auftraggeber: PG Liegenschaftsverwaltung GmbH
, Investorengruppe Fleissner & Partner, Projektmanagement, örtliche Bauaufsicht, Controlling
Planung: Pichler & Traupmann Architekten, Wien, 1. Rang, Generalplanung.
Gegenstand: Baukünstlerischer Wettbewerb zur Erlangung von Vorentwürfen für das Bauvorhaben PAVOREAL. Städtebauliche Ergänzung der zum Weltkulturerbe zählenden Altstadt von Graz inklusive der Errichtung eines Innenstadthotels über der Tiefgarage Pfauengarten (1). Dazu ein Büro-und Wohngebäude.
Verfahren: Offener, zweistufiger Wettbewerb. 1. Stufe offen, 2. Stufe geladen (2).
Preisgericht: Architekt Kjetil Thorsen, Dr. Gertrude Celedin, Dr. Reinhard Hohenberg, DI Jörg Krasser, DI Klemens Klinar, DI Hannes Sorger, Mag. Romana Steinberger, DI Mag. Bertram Werle.
Kriterien der Beurteilung: u. a.: Imagebildende Qualitäten, „Adressbildung“, Stadträumliche Qualität, Ausformulierung des öffentlichen Raums, Gestalterische Qualität des Außenraums, Räumliche Beziehung und Einfügung in den Altbestand. Genius Loci, sh. (1), S 25
Adresse: Karmeliterplatz 4a, b, c, 8010 Graz, Österreich
Anerkennung: Nominierung, Mies van der Rohe Award 2017
Zeitraum: 2007, 2013: Baubeginn Wohnungen, Fertigstellung 2015 (3) / 2016: Baubeginn Hotel, Fertigstellung 2018 (4).

Geraffter zeitlicher Ablauf des Projektes
für die Bebauung des Pfauengartens der Grazer Burg:

1887 Der Stadtpark wird als geschützter Landschaftsteil gewidmet.
1988 Der Grazer Schloßberg wird geschützter Landschaftsteil.
1988 wird ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben. In den Unterlagen wird festgehalten, dass der Pfauengarten in der Breite des Karmeliterplatzes bebauungsfrei zu halten sei. Im Preisgericht sind u. a. Othmar Barth (Vorsitz), Raimund Abraham und Günther Domenig. 110 Entwürfe werden eingereicht. Das Preisgericht vergibt den 1. Preis an das Architektenteam Friedrich Schöffauer - Wolfgang Tschapeller aus Wien.
1989 am 29.5. beauftragt die Steiermärkischen Landesregierung die Preisträger mit den Entwurfsarbeiten.
1990 erfolgte die Widmungsänderung von der im Flächenwidmungsplan 1982 als „Freiland“ ausgewiesenen Widmung als „Kerngebiet“, Zweck: Museum, kulturelle Einrichtungen. Dies im Hinblick auf die Realisierung des Trigon-Museums auf der Basis des Siegerprojektes des Architektenwettbewerbes von 1988 (5)
1995 liegen alle baurechtlichen Bewilligungen vor.
1995 Rücktritt von Landeshauptmann Dr. Josef Krainer (ÖVP). Dr. Peter Schachner-Blazizek (SPÖ) wird Landesrat für Kultur. Er sieht in der Realisierung des Trigon Museums ein „Krainer Mausoleum“. Um die Sache möge sich Bürgermeister Alfred Stingl kümmern.
1996 am 25.9, Beschluss der Landesregierung alle Planungen am Trigon-Museum einzustellen. Federführend ist Landesrat DI Michael Schmid.
1996 der ehem. Stadtrat (SPÖ) und Architekt Klaus Gartler präsentiert eine von der Politik beauftragte Standortstudie. Gartler untersucht den Pfauengarten, den Bereich Palais Herberstein/Schloßberg und den Platz am Eisernen Haus an Südtiroler Platz/Lendkai, wo später das Kunsthaus errichtet wurde. Auf der Webseite https://kunstmuseum.com/kunsthaus- graz/ wird zwar das Vorgängerprojekt im Schloßberg erwähnt, nicht aber das Trigon Museum Projekt!
1998-2003 Landesrat für Wirtschaft DI Herbert Paierl nimmt Verhandlungen über den Verkauf des Pfauengarten-Areals auf. Weitere Teilnehmer sind Hofrat Josel (Fachabteilung 4b), DI Heinz Rosmann (Stadtplanung) und Bürgermeister Mag. Siegfried Nagl. Es kommt zu persönlicher Annäherung und schließlich zum Verkauf des Geländes: “Paierl-Deal“. Die Nutzungs- und Zweckbindung wird nicht aufgehoben. Dr. Reinhard Hohenberg und der ehem. Stadtrat Werner Stoiser (ÖVP) treten als Käufer auf.
1999 Beginn der Rechtsform Altstadtgarage Karmeliterplatz Pfauengarten Betriebs GmbH.
2001 Kauf der Liegenschaft Pfauengarten durch die PG Liegenschaftsverwaltung
2007 Ausschreibung des Wettbewerbes, Motto „Palvoreal“
2008 Abgabe der Wettbewerbsarbeiten
2013 Wohnanlage, Projektdauer Dezember 2013 – Mai 2015
2016 NH Graz Hotel Pfauengarten, Baubeginn, Fertigstellung 2018

Und so begann es mit der von Investorengruppen betriebenen, die Dichte eines Kerngebietes ausnützenden, mit absehbarer Höhenentwicklung der Bebauung des Pfauengartenareals: zuerst mit dem Tiefgaragenprojekt unter dem Pfauengarten und einem Teil des Karmeliterplatzes, dann mit der Bebauung des bis dahin wenigstens dem Namen nach existierenden Pfauengartens.

Das Tiefgaragenprojekt „Pfauengarten“

Die Grundstückswidmung als Kerngebiet mit Zweckbindung an kulturelle Einrichtungen aus dem Jahr 1990 blieb beim Verkauf des Pfauengartengeländes vom Land Steiermark an die Stadt Graz aufrecht. Damit war auch die Möglichkeit gegeben, dass die Stadt das billig erworbene Grundstück an private Investoren weiterverkaufen konnte. Eine Rückwirkung als Grünraum hätte dies ausgeschlossen. Wie die Folge zeigte, war die Ausweisung als Kerngebiet entscheidend, zumal 1993 in einer Änderung der Steiermärkischen Bauordnung durch die Landesregierung auf Antrag des damaligen Landesrates Michael Schmid ein Rechtsanspruch auf maximale Ausnützung der Dichte festgeschrieben worden war: ein Bonanza für geldwirtschaftlich orientierte Investoren. 1995 blieb diese Änderung unverändert, sie wurde nur durch den Hinweis auf Ortsgebiet und Landschaft ergänzt. Die Zweckbindung geriet in den Hintergrund: Da ließe sich mit einer Ausnahmeregelung wohl etwas machen. Wie sich zeigen sollte, ließ sich etwas machen.
    Die Tiefgarage „Pfauengarten“, eigentlich die unterirdische Garage als Ersatz und Erweiterung des zuletzt als Beamtenparkplatz genützten Areals des ehemaligen Pfauengartens und der Hälfte des Karmeliterplatzes, dient nicht nur der zukünftigen Bebauung dieses Areals, sondern auch der von hier gut erreichbaren Innenstadt. Sie war aber für die Bebauung unerlässlich und erfüllte damit ihren Zweck mehrfach. Erstens, durch ihr bis an die Kurtine der Stadtbefestigung reichendes Ausmaß wurde das in einem verhältnismäßig schmalen Streifen entlang der Kurtine zwischen 1988 bis 1995 geplante Trigon-Museum endgültig dem Müllhaufen bedeutender, nicht realisierter Kulturprojekte einverleibt. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte man sich immer noch besinnen können, es zu bauen, und dies unabhängig vom Kunsthaus am Lendkai. Das Kunsthaus ist kein Museum, schon gar nicht eines, wie es das Mehrländermuseum Trigon gewesen wäre.
    Zweitens, hatte die Stadt Graz die Kosten der Parkplatzbeschaffung für die Bebauung des Pfauengartens sozusagen als Geschenk für die Investoren übernommen. Diente endlich die Stadtplanung nicht mehr nur dem (parteipolitisch definierten) Gemeinwohl, sondern privater Gewinnorientierung?
    Auch nach dem Bau der Tiefgarage war der Pfauengarten eine Freifläche nicht wesentlich verringerten Ausmaßes. Noch gab es Hoffnung auf eine Lösung der Frage, was mit dem Pfauengarten stadträumlich verträglich geschehen solle. Eine Hoffnung, die man als städtebaulich gebildeter Architekt ebenso haben konnte wie ein „naiver“ Bürger und „Träumer“. Urban Economics legen allerdings etwas Anderes nahe, und zwar das Wahrnehmen wirtschaftlichen Nutzens im gesellschaftlichen Umfeld. Aber dazu ist ja die Politik da, nämlich die Stadt als etwas zu sehen, das sozial- wie ökonomiebewusster Planung unterworfen ist und nicht dem Maximieren privatwirtschaftlichen Nutzens. Ansonsten könnte man ja, es sei denn wegen des Verlusts von branchenspezischen Arbeitsplätzen, in der Politik gänzlich auf Planung verzichten. Das aber geschieht nicht einmal im Großraum Los Angeles.

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(1)  Ausschreibungsunterlagen, S 25: Wettbewerbsausschreibung
(2)  Aussendung Wettbewerb, Übersicht, prämierte und alle Beiträge
(3)  Büro-und Wohngebäude Pfauengarten
(4)  Hotel, NH Graz – Hotel Pfauengarten
(5)  Im Gespräch mit DI Heinz Rosmann, zu dieser Zeit Leiter des Stadtplanungsamtes

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