07/06/2021

Diagonale  2021

Vorschau auf das Festival des österreichischen Films von Wilhelm Hengstler

08. – 13. Juni 2021
in diversen Grazer Kinos

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07/06/2021

Der Große Diagonale-Schauspielpreis für Verdienste um die österreichische Filmkultur wird 2021 an Christine Ostermayer verliehen

©: DIAGONALE
©: DIAGONALE

2021 startet die Diagonale coronabedingt später als sonst; nicht gerade zum Glück, aber trotzdem: ein Monat früher wäre es zu kalt gewesen. Dass der Große Schauspielpreis heuer an die 85jährige Schauspielerin Christine Ostermayer vergeben wird, verleiht dem Festival ein würdiges Gesicht. Die gleichermaßen in Hauptrollen  wie in Nebenrollen einprägsame Menschendarstellerin ist bereits beI der Diagonale „12“ für ihre Leistung in „Anfang 80“ (R: Sabine Hiebler, Gerhard Ertl) als nicht mehr ganz Liebhaberin mit dem Schauspielerpreis ausgezeichnet worden. Gute Wahl. Ansonsten bietet die jährliche Leistungsschau des österreichischen Films den gewohnten Mix aus neuen Spielfilmen, Dokumentationen, innovativem Film, Personalen und Specials: ein etwas unübersichtliches, fast anstrengend reiches Programm.

Das Eröffnungsfest musste leider entfallen, aufgrund der Sperrstunden und Abstandsregelung wurde der Eröffnungsfilm „Fuchs im Bau“ von Arman T. Tiahis in zwei aufeinander folgenden Vorstellungen gezeigt. Es handelt sich um einen „Schulfilm“ der  besonderen Art. „Fuchs“ ist einerseits der Name der Hauptperson des Lehrers, der andererseits in einer Jugendhaftanstalt – eben dem „Bau“ – unterrichtet. Bei Riahi, weiteren Kreisen bekannt durch die Komödie „Die Migranntinnen“, müssen Besucher trotz des Themenmix – Jugendstrafvollzug, Pädagogik, Coming of Age - keine Berührungsscheu entwickeln. Aleksander Petrovic ud Maria Hofstätter geben ein bemerkens gegensätzliches Lehrer/innenduo. Der Film, bereits in Saarbrücken uraufgeführt, hat dort den Ophülspreis gewonnen.

„Sargnagl“:  In dem durchaus ätzenden Plot erzählt das Regie-und Autorenduo Sabine Hiebler und Gerhard Ertl von der fiktiven Verfilmung des fiktiven Drehbuches „Fitness“ (!) dass vom ÖFI nur gefördert würde, wenn die reale Autorin Sargnagl die Hauptrolle übernimmt. Sargnagl, „eklig wie Ulrich Seidl, urkomisch wie Joseph Hader und radikal Antikulturbetrieb wie Thomas Bernhard“ die Hauptrolle spielt… Wenn schon Celebrity, dann frech. „Sargnagel“ versammelt neben Stimmungskanonen wie Michael Ostrowski, Margaret Tiesel oder Voodoo Jürgens jede Menge lokale Szenegrößen. Wem dieser, halb dokumentarische Film - „Mockumentary“ laut Selbstbeschreibung – zu grell ist, der kann es mit dem extremen Gegenteil von „3.30PM“ versuchen.
In „3.30PM“ treffen sich zwei Freunde, ein Amerikaner und ein Österreicher, nach langer Zeit wieder und resumieren ihr Leben. Der Regisseur Ludwig Wüst nimmt sich in dieser Geschichte einer österreischisch-amerikanischen Freundschaft nicht nur total zurück, Indem er sie mit seiner Bodycam filmt, setzt er den handwerklich immer perfekteren Erzählungen in den Medien auch eine ästhetische Alternative entgegen.

Einübung in das Unvermeidliche, Gelegenheit zum Umdenken für Fernseh- und Serienmuffel bietet David Schalkos mit „Ich und die anderen“. (Außerhalb des Wettbewerbes) “Was wäre wenn…“ Der überdurchschnittlich intelligente Autor und Filmemacher Schalko lässt seinen durchschnittlichen Helden mit dem unüblichen Namen Tristan unterschiedliche Lebensentwürfe durchleben und -träumen. Sechsmal ein Erzählexperiment, abgesichert durch eine hochkarätige Besetzung: u.a. mit Lars Eidinger.

Die Diagonale-Reihe „zur Person“ lässt das bisherige, schon jetzt beeindruckende Werk der 1972 geborenen Regisseurin Jessica Revue passieren. Besonders empfehlenswert unter ihren, durch eine irritierende Distanz geprägten Filmen ist der Wallfahrtsfilm „Lourdes“ (2009), Hausers atmosphärischer Kleistfilm „Amour Fou“ und ihr frühes, absolut undurchdringliches Thrillerrätsel „Hotel“.

Wiederbegegnung mit Ulrike Ottinger: Die kreativen Feministin und Filmemacherin der Sechzigerjahre, auch schon mal früher Gast im Forum Stadtpark und 2020 auf der Berlinale für ihr Lebenswerk ausgezeichnet,  zeigt „Pariser Kalligramm“. Im Anschluss an diese „kleine Stadterzählung“ findet ein ausgedehntes Gespräch mit der Ikone Ottinger statt. Dazu auch ein „Im Gespräch“ in Ö1 am 10. Juni um 21 Uhr und einen Tag später um 16:05 Uhr

Besonders interessant für Architekten, Leopold Lummerstorfers „Der Traum der bleibt“ und das Gespräch des Regisseurs mit Profil-Kulturchef Stefan Grissemann. Es geht um die Wiener Donaustadt (2.400 Wohnungen, 8000 Bewohner) und die mit ihr verbundenen Pobleme sozialer und infrastruktureller Art. Multiperspektivische Analyse des nach einigen „schrecklichsten Wohnbau Österreichs“

Vielversprechend sind die „Aufzeichnungen aus der Unterwelt“ von Tizza Covis und Reiner Frimmel. Die beiden durch ihr sensibles Hinsehen und –hören geschätzten Filmemacher lauschen „am Stammtisch“ einem früheren „König der Unterwelt“ sowie einem berühmten Interpreten von Wienerliedern. Beschworen und gleichzeitig bezweifelt wird eine gute alte Zeit, als Gaunereien noch ehrenhafter, Glücksspiele noch ehrlicher waren. Wienerlied und Dritter Mann lassen grüßen.

Davos wird den Schatten seiner Kranken aus Thomas Manns „Zauberberg“ nicht los. In der gleichnamigen Dokumentation von Daniel Hoesl und Julia Niemann treten keine Lungenkranken auf, sondern der Ort mit seinen Gästen: Weltgrößen aus Politik und Wirtschaft, denen es während der letzten Jahrzehnte nicht im mindesten gelungen ist, den drohenden Absturz des Raumschiff Erde mitsamt seinen Insassen abzubremsen.

Auf eigenes Risiko! Mit der US-Bodybuilderin Tisha Thomas verglichen war Arnold Schwarzeneggers „Conan der Barbar“ eine eher filigrane, soignierte Erscheinung. Muskulöses Bespiel für den Appetit, mit dem sich das Medium Film über pittoreske Subkulturen hermacht. Körperkult extrem, geschmackserweiternd.

Und unter den „Specials“ gibt es auch eines zum 75 .Geburtstag von Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek. Präsentiert werden kleinere Filme und Berichte aus dem ORF, kombiniert mit einer Installation im „Augarten Art Hotel“. Aber ehrlich: Eine Alternative zu dieser ORF-Resteverwertung wären auch die wunderbaren Filme des aktuellen Nobelpreisträgers Peter Handke gewesen.

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