07/10/2021

Mobilität und Stadtentwicklung

Zum GAT-Dossier Mobilität und öffentlicher Raum

Wie kann eine zukunftsweisende Stadtentwicklung mit neuen Mobilitätskonzepten aussehen?

Kommentar von Bernhard Hafner

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07/10/2021

Grafik: Universalmuseum Joanneum/M. Pinter

©: Universalmuseum Joanneum

Zum GAT-Dossier Mobilität und öffentlicher Raum
Wie kann eine zukunftsweisende Stadtentwicklung mit neuen Mobilitätskonzepten aussehen?

Da sind bei einem sehr komplexen Sachverhalt zwei Themen miteinander vermengt worden, die vorerst einzeln behandelt werden sollten. Was hat nämlich Mobilität mit Stadtentwicklung zu tun? Speziell muss man fragen, ist Mobilität die Ursache von etwas, was wovon ausgelöst wird? Wenn man weiß, was dieses Wovon ist, kann Verkehr nicht (allein) durch Verkehrs-/ Mobilitätsplanung gelöst und von Verkehrsplanern fachlich bearbeitet werden. Diese stützen ihre Planungen auf existierende Verkehrsströme und solche zeitnah vergangenen Ströme.
    Ein modernes Mobilitätskonzept und einen entsprechenden Strukturplan zu entwickeln ist sehr wichtig und gut; wenn dabei an die Stadtentwicklung gedacht wird, ist es besser, aber wie soll das gehen?
    Dazu ein Beispiel: Ich habe mich vor Monaten mit Wolfgang Feyferlik getroffen - es war zu der Zeit, als das städteplanerisch unbedarfte U-Bahnkonzept für Graz veröffentlicht worden war. Er fragte, was ich dazu meine. Meine Kritik war, dass überhaupt nicht überlegt worden sei, wie diese Planung die Stadtentwicklung beeinflusse und wie sie sich auf mögliche Entwicklungen an Stationen als Punkten der Stadtentwicklung auswirke, besonders an Schnittpunkten mehrerer Verkehrsmittel. Solche Schnittpunkte sind ein wesentlicher Bestandteil jeder umfassenden Mobilitätsplanung. Wolfgang aber sah keinen Zusammenhang. Wenn dem so ist, dann hat Mobilität/Verkehr aber keinen Einfluss auf das im Dossier gewählte Thema der Stadtentwicklung. Wozu es dann zum Thema machen? Verkehrsplanung hat mit Stadtentwicklungsplanung damit zu tun, dass es ein Entwicklungspotenzial schafft. Es hat Einfluss auf Bodenpreise, Erreichbarkeit und setzt einen Verdrängungswettbewerb von Nutzern in Gang.
    Ich sehe das so und damit habe ich mich fünf Jahre lang an der UCLA und wieder seit 2007 wissenschaftlich befasst. Das Wovon, von dem ich sprach, hat etwas mit Attraktionen von Standorten in der Stadt zu tun. Was damit gemeint ist, müssen Sie selbst herausfinden. (Ich beherzige die Kritik an meiner Serie gelungen | nicht gelungen, dass die Artikel nicht ins GAT gehörten, sondern in ein Buch. Das war axiomatisch gesagt, ich nehme aber an, gemeint sei gewesen, dass es sich nicht zum Frühstück lesen lasse. Das, was ich hier schreibe, kann man auch zum Frühstück oder in der Kaffeepause im Büro lesen. Aber ohne Herausforderung, was mit dem Wovon gemeint sei, will ich niemanden entlassen.)
   Was mich vom Zeitnehmen zum Zeitrahmen bringt. Dabei geht es um die Zeit, die Planung und Realisierung von Mobilitätskonzepten erfordert. Lassen wir Graz beiseite, dieser bereits weitgehend vernagelten Stadt. Setzten wir voraus, dass es um eine Stadt geht, die so etwas nicht durch die eigene Verwaltung lösen will - in Graz wäre das die Holding in Zusammenarbeit mit Verkehrsplanern, Tunnelbauern, Bodenmechanikern, Elektroplanern etc. (nicht zu vergessen sind Seilbahnerbauer) – geht es dann nicht um einen Zeitraum von 10 Jahren für Thema 1, das Mobilitätskonzept in amtlicher Ausgabe?
    Zum Thema 2, dem Wovon. Zeitraum: unendlich (für mich endlich, da ich selbst bei günstigsten, in Graz nicht gegebenen Voraussetzungen, nicht einmal das Ergebnis der Planung dafür erleben werde). Nehmen wir an, es gibt in 5 - 10 Jahren eine solche Planung (wie lange brauchte die Entstehung des Wurzer-Planes für Graz?), dann veranschlagen wir, optimistisch, wie wir sind, 5 Jahre.
    Wenn 1 und 2 parallel geschehen - was, siehe Absatz 1, bei der Komplexität der wechselseitigen Beziehungen der Themen fraglich ist - günstigenfalls 10 Jahre?
    Dann sind Planung des Wovon und das Verkehrskonzept realisiert, so dass sich der Immobiliensektor, der Handel und das Gewerbe darauf einstellen können. Das Entscheidende ist nun, wann zeigt sich die Wirkung der kombinierten Maßnahmen? Frühestens ansatzweise 5 Jahre später.
    Rechnen wir also insgesamt mit 15-20 Jahren. Wie viele Bürgermeister samt ihrer Verwaltungen und Professorenwechsel an der TUG braucht man dafür? Mag. Siegfried Nagl (am 26.09.2021 zurückgetreten, Anm. Red.)ist seit 2003 Bürgermeister von Graz, das ist bisher eine Amtszeit von 18 Jahren. Hätte er also gleich mit dem begonnen, was ich seit meiner Rückkehr nach Graz in mehreren Vorträgen und Artikeln gefordert habe, dann sähen wir heute tatsächlich etwas davon oder auch nicht, wenn ich nämlich nicht recht hätte.
    Was wir sehen, außer unglaublich viel Kreisverkehr zwischen Graz und Werndorf und keine Gondel, ist das, wozu GAT aufruft: die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Frage "Mobilität und öffentlicher Raum. Wie kann eine zukunftsweisende Stadtentwicklung mit neuen Mobilitätskonzepten aussehen?"
    Ha! Graz und Werndorf! Was? (Wer noch nie mit dem Auto von Graz über die Bundesstraße nach Werndorf fuhr, dem entgeht, worüber ich beim Thema Planungsverantwortung hier spreche.)
    Das bringt mich zum dritten Thema: Mobilitäts-, Verkehrs-. Stadtentwicklungs- und Wovon-Planung hat keine Gemeindegrenzen. Das sozio-ökonomische Kräftespiel im Raum (in Graz, etwa), schert sich nicht darum. Ja, Kapitalismus und Eigeninitiative initiativwilliger Personen sind wie ein Virus, vor dem sich kein Politiker, keine Verwaltung und kein Sachverhaltserkenntnisverweigerer nicht einmal mit einer Maske vor der Stirn schützen können. Sie werden vom Markt, von Initiativen Anderer eingeholt, meist, wenn sie in Pension sind.
    Wäre der Prozess aber 2003 begonnen worden, müsste ich für das Ergebnis einstehen, nicht in Rente, sondern als Person, die noch am Leben ist. Die Chancen, dass ein solches Ergebnis einträte, sind sehr gering. Die Frage aber, wie sehr sich alles verändert hätte, ist eine Frage der Größenordnung, die sich meiner Voraussicht entzieht. Besser als das, was ist, wäre es allemal.

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