16/11/2021

Schau doch! 13
Kolumne von Peter Laukhardt

Die sieben Säulen zum Kalvarienberg in Graz. Ein historischer Wallfahrtsweg mit Zukunft?

Mit der Kolumne Schau doch! zeigt der Autor auf, dass es im Grazer Stadtraum auch abseits des Weltkulturerbes unersetz- liches Bauerbe zu entdecken und zu schützen gibt.

Schau doch! erscheint jeden dritten Dienstag im Monat auf GAT.

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16/11/2021

Bild 1: Der Kalvarienweg einst und (hoffentlich) in Zukunft

©: Peter Laukhardt

Bild 2: „Grätzer-Wallfahrt nach dem Berg Calvarie“, erste Station

©: Peter Laukhardt

Bild 3: Nordteil des Lendplatzes auf einer Karte von 1748

©: Peter Laukhardt

Bild 4: Beengte bzw. bedrängte Bildstöcke I und II in der Zeillergasse

©: Peter Laukhardt

Bild 5: In parkartige Anlagen gehörende Bildstöcke III und V

©: Peter Laukhardt

Bild 6: Endstation bei der Kalvarienbergkirche

©: Peter Laukhardt

Vor Jahrhunderten pilgerten die Gläubigen über einen historischen Wallfahrtsweg (sog. „Grätzerische Wallfahrt“), der beim Dom begann und über die Mariahilferkirche und die Pestsäule am Lendplatz zum Kalvarienberg führte. Ab 1659 wurden vom Lendplatz bis zur Kalvarienbergkirche sieben Bildstöcke aufgestellt, damals "Kreuzsäulen" genannt, die alle noch erhalten sind. Anlässlich der Restaurierungen in den Jahren 1966 bis 1970 hat der Grazer Künstler Adolf Osterrider die längst verblichenen Tabernakel-Bilder durch neue Öl-Malereien zu den sieben Schmerzen Mariae geschmückt.
Eines der kleinsten (13 x 8,5 cm) in meiner historischen Bibliothek ist ein Gebetbüchlein, vermutlich aus 1810, und nennt sich Grätzer-Wallfahrt nach dem Berg Calvarie. Es ist durch eine Fülle von Abbildungen bereichert, die uns heute einen guten Eindruck der künstlerischen Schmuckstücke des Weges vermitteln.
Leider sind – trotz mehrfacher Urgenz – noch immer nicht alle Bildstöcke in die Denkmal-Liste aufgenommen. Eingetragen sind als „Kalvarienwegbildstock“ nur Nr. III bei Grimmgasse 9 (bzw. Kalvarienbergstraße 45), Nr. IV bei Kalvarienbergstraße 82 und Nr. VII bei Kalvarienbergstraße 155. Es fehlen unverständlicherweise die vier Eintragungen von Nr. I bei Zeillergasse 25, Nr. II bei Zeillergasse 55, Nr. IV bei Kalvarienbergstraße 63 und Nr. VI bei Kalvarienbergstraße 119. Noch beschämender für die Einstellung zum Denkmalschutz hierorts ist es, dass im Flächenwidmungsplan überhaupt nur der Bildstock Nr. IV bei Kalvarienbergstraße 82 als Denkmal (D) ersichtlich gemacht ist. Wer Fotos aller Bildstöcke sehen will und sich in ihre Geschichte und Beschreibung im Detail – am besten bei einem Spaziergang – vertiefen möchte, sei auf die Homepage – siehe Link > grazerbe.at – verwiesen.

Wie aus dem Plan von 1748 (Bild 1) zu ersehen, sind die Abstände der Bildstöcke voneinander nicht einheitlich, zwischen Nr. I und Nr. II sind es rund 300 m; das ist zum Teil wohl auch darauf zurückzuführen, dass nicht mehr alle an ihrem ursprünglichen Standort verblieben sind; die Nummern III und V wurden im Lauf der Zeit versetzt, wie ihre Inschriften auch wissen lassen. Insgesamt beträgt die Länge des Kalvarienweges rund 1.600 m.

Wir machen uns nun auf den Weg. Von der Wiener Straße beim Lendhotel abbiegend, schleicht man heute noch mit dem Auto durch eine enge Gasse in Richtung Norden; es ist die Zeillergasse, die teilweise nicht einmal einen Gehsteig aufweist, eine leider stark genutzte Verbindung von der Wiener Straße zum Flosslendplatz. Ein Blick auf die Bauten links und rechts ist dabei kaum möglich, dabei gäbe es Interessantes zu entdecken: neben wenigen Altbauten (Nr. 5, Nr. 17, Nr. 39) und dem Kreuz des Ertrunkenen (Nr. 81) auch die ersten beiden der insgesamt sieben erhaltenen „Kreuzsäulen“ des 17. Jhs mit den Schmerzen Mariä. Bei der Grimmgasse wird der Wallfahrtsweg von der Kalvarienbergstraße aufgenommen; ab dem Gürtel ist diese Straße auf einer Strecke von rund 100 m sehr verkehrsreich. Die letzten Teile sind als Überfur-gasse und dann wieder als hier seit 1778 baumbestandene Kalvarienberg-straße nur schwach vom Verkehr genutzt, außer bei Begräbnissen am Kalvarienbergfriedhof und zu Allerheiligen
Diese sehr unharmonische Wegbenennung ist nicht historisch. So hieß ursprünglich die heutige Zeillergasse vom Lendplatz nordwärts tatsächlich die „Große Kalvarienbergstraße" – 1829  nach dem Flohwirt auch Flohgasse – und wurde erst 1870 nach dem Grazer Franz Anton von Zeiller umbenannt, dem Schlussredakteur des bürgerlichen Gesetzbuches (1751 Graz – 1828 Wien). Die bei der Hackhergasse beginnende heutige Kalvarienbergstraße ist sehr viel später als die Zeillergasse angelegt worden.
Der im Steiermärkischen Landesarchiv verwahrte Plan von 1748 – er gehört zu den frühesten Stadtplänen von Graz – zeigt die Situation eher schematisch, von links nach rechts: am B "Müllgang"verläuft der Weg Am Damm, die „Haubt Strassen“ D ist die heutige Wiener Straße, dann folgt ohne Bezeichnung die heutige Grüne Gasse, sie hieß vor 1770 Mittelgasse oder Kleine Kalvarienberggasse. Der verbaute Weg G ist der „Der Wög auf den berg Calvarj“, die heutige Zeillergasse; von ihr zweigt nach rechts die heutige Pflanzengasse ab, damals noch ohne Verbindung zu der auch mit G bezeichneten späteren Neubaugasse; sie hieß 1748 noch E „Die Spittal Vich Waitt“ (Spitalsviehweide) mit dem („Trattenweg"), seit 1770 hieß sie Neubau- oder Spitalerischer Grund. Nicht zu übersehen sind die Wasserläufe des Feuerbachls, hier C „Das Stinkhende Pächel“ genannt.
Die beiden rot gemalten „Kreutz Säullen“ F sind die in der Zeillergasse 25 (Nr. I) und 55 (Nr. II). Die geometrische Exaktheit der Darstellung darf nicht sehr hoch eingeschätzt werden, aber dennoch ist daraus abzulesen, dass die Bildstöcke nicht wie heute in die Häuserfront zurückgezogen, sondern frei aufgestellt waren. Fast alle Häuser der Gasse sind dem Bürgerspital untertänig (gelb), die sechs schwarz gefärbelten den Jesuiten zum Leuzenhof gehörig, das rote untersteht als „vorhin Merklinischer Garten, jetzt Jakob Unger“ dem Magistrat.

Wir wollen nun aber noch in die Zukunft schauen und die künftige Gestaltung dieses Wallfahrtsweges ansprechen. Dabei sind folgende Maßnahmen ins Auge zu fassen:

1)  Denkmalschutz: Zunächst ist es unabdingbar, den Denkmalschutz endlich vollständig zu verordnen. Der eine oder andere Bildstock wird bereits von bestehenden oder geplanten Neubauten arg bedrängt (Bild 4). Keine einfache Aufgabe für den den Bildstock Nr IV. Die Ersichtlichmachung im Fläwi könnte vor ungenehmigten Abbrüchen schützen.
2)  Verkehrsberuhigung: Es drängt sich geradezu auf, diese historische Route weitgehend den Fußgängern und Radfahrern zu überlassen; ihr beschränkter Querschnitt im südlichen und nördlichen Teil erzwingt das direkt. Große Teile der Zeillergasse könnten zur Fahrradstraße werden, die für Autos nur als Anrainer-Zufahrt zur Verfügung steht. Für die Erschließung des betroffenen Wohngebietes müssten die Grüne Gasse und die Neubaugasse (vielleicht als Einbahn Richtung Norden) reichen. Die 100 m ab dem Kalvarien-Gürtel gilt es auf einem Gehsteig neben den Vorgärten zu überbrücken; wie sich hier der Verfasser des neuen Masterplans „100 Millionen für 100 km“ einen Radweg weiter entlang der Augasse nach vorstellt, bleibt ein Rätsel. Der südliche Teil der Überfuhrgasse böte auf rund 120 m genug Platz für einen begleitenden Fuß- und Radweg, und der nördlich Teil der Augasse wäre wieder verkehrsberuhigt zu gestalten.
3)  Grüne Wallfahrts-Meile: An den sieben Kreuzsäulen könnte kleine, mit Bänken, Grünzeug und Trinkwasserbrunnen einladend gestaltete Ruhezonen eingerichtet werden, die gleichzeitig die Durchfahrt sperren oder bremsen. Bei der Grimmgasse bietet sich dabei ein von der Verkehrsinsel bis zu dem seit einiger Zeit wieder munter sprudelndem Schleifbach erweiterter Park an, ohne die Säule verlegen zu müssen, die allerdings in die falsche Richtung „schaut“. Die Säule bei Kalvarienbergstraße 82 steht in einer Grünfläche, die aber fast uneinsehbar ist; auch hier bietet sich eine parkartige Gestaltung an (Bild 5).

Den Beginn des neuen Wallfahrtsweges könnte die kleine Grünanlage vor dem Lendhotel anzeigen; dass man dabei auf einen Rasen verzichtet hat, ist vielleicht schon darauf ausgerichtet, dass sich künftig hier eine kleine Gruppe auf den Weg vorbereitet? Eine Hinweistafel auf die Geschichte der „Grätzer Wallfahrt“ wäre eine wichtige Ergänzung. Am Ende der Wallfahrt würde vor der Kalvarienbergkirche eine ebenso gestaltete „Endstation“ die modernen Pilger zur inneren Einkehr bitten (Bild 6).

Alles keine großartigen Maßnahmen, die wir hier vorschlagen, aber sie würden dem Bezirk Lend eine alte Attraktion wieder geben und die Lebensqualität in einem Stadtteil verbessern, der durch massive Überbauung auf Kosten des spärlichen Grünraums geplagt wird; die Bautätigkeit in Neubaugasse und Grüne Gasse hat ja teilweise schlimme Beispiele verfehlter oder fehlender Stadtplanung hervorgebracht. Vielleicht können die neuen Verantwortlichen, die ja auch „Grüne Meilen“ für jeden Bezirk propagierten, umgehend eine entsprechende Planung einleiten, sonst ist auch diese Chance vielleicht für immer vertan!

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