13/01/2022

MINUS

Die unschöne Verwandlung der Niesenbergergasse.

13/01/2022

Niesenbergergasse mit sozialem Strassenbegleitgrund vor der Verbauung

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Niesenbergergasse vor der Verbauung

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Strassenbild Niesenbergergasse vor Verbauung

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Niesenbergergasse mit Neubau

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Niesenbergergasse mit Neubau laut Bebauungsplan

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

bestehende Bäume standen dem Neubau im Wege und mussten zugeschnitten werden

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

hohe Blockrandverbauung mit Baufluchtlinie zur Niesenbergergasse laut Bebauungsplan

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Hofansicht mit Hochbeetanlage

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Wohnidylle im Erdgeschoss

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Bebauungsplan: Niesenbergergasse, Idlhofgasse, Annenstrasse

Gemeinschaftsgarten

©: Forum urbanes Gärtnern

Mit dem Neubau in der Niesenbergergasse 14-16 ist ein wesentlicher Teil des heftig umstrittenen Bebauungsplanes „05.24.0 Niesenbergergasse – Idlhofgasse – Annenstraße" in die Realität umgesetzt worden. Gegen diesen Bebauungsplan wurden in der Auflagezeit 54 Einwendungen erhoben. Der Großteil der Einwendungen bezog sich auf den Verlust der wertvollen Grünfläche des Niesenberger Gemeinschaftsgartens, auf die Gebäudehöhe, das Konzept der Blockrandbebauung und eine verordnete Baufluchtlinie direkt an der Grundgrenze zur Niesenbergergasse.

Der Verlust des beliebten Gemeinschaftsgartens war durch den Bebauungsplan nicht mehr abwendbar. Beim Garten handelte es sich um eine zeitlich begrenzte Zwischennutzung von 2010 bis 2017 auf privatem Bauland. Der Garten, ein Teil des legendären Kulturzentrums Niesenberger, war mit 440 m2 nicht sehr groß, aber er war auch bei den Bewohner*innen der Annenstraße als Naherholungsfläche und Nachbarschaftstreffpunkt äußerst belieb. Obstbäume sowie Obst- und Wildhecken teilten sich den Platz mit Gemüse, Kräutern und Blumen. Jeder konnte mitarbeiten und miternten. Der Garten bot zusätzlich Raum für gesellige Zusammenkünfte und Spielmöglichkeiten für Kinder. 
Ab 2013 wurde auch der öffentliche Grünbereich (Grundstücke 755/1 und 2294) mitbewirtschaftet, ein Imker stellte Bienenstöcke auf.

Die Niesenbergergasse zwischen Idlhofgasse und Elisabethinergasse war ein aufregender fast paradiesischer Ort mitten in der Stadt. Auch deshalb engagierte ich mich mit besorgten Bewohner*innen und engagierten Bürger*innen für eine Abänderung des Bebauungsplanes, damit neben den Investoreninteressen auch Anliegen und Bedürfnisse von Bewohner*innen ausreichend Beachtung finden. Wir organisierten Informationsveranstaltungen, luden Mitglieder des Bau- und Raumordnungsausschusses des Grazer Gemeinderates zu Begehungen ein, um sie von der Dringlichkeit des Erhalts der öffentlichen, üppig bewachsenen Grünfläche zu überzeugen. Damit sich zukünftige Wohnnutzung und Nutzung des öffentlichen Raums nicht gegenseitig beeinträchtigen, setzten wir uns auch gegen die an dieser Stelle völlig sinnlose Baufluchtlinie ein.

Die angesprochenen Ausschussmitglieder von ÖVP, SPÖ, KPÖ und den Grünen versprachen sich für die Anliegen einzusetzen und das taten sie auch. Der Bebauungsplan wurde deshalb sogar zweimal von der Tagesordnung abgesetzt. 
Nur das Stadtplanungsamt ließ sich nicht überzeugen, von der Baufluchtlinie ohne Abstand zum öffentlichen Raum abzugehen. In der Beantwortung der 54 Einwendungen taucht regelmäßig dieser Satz auf:
 
„Im Zuge der Erstellung eines Bebauungsplanes müssen unterschiedlichste Planungsvorgaben umgesetzt und differenzierte Fragestellungen gegeneinander abgewogen werden. Die Definition der Bauflucht- und Baugrenzlinien im gegenständlichen Bebauungsplan gewährleistet die Einhaltung einer Mindestproportion des Innenhofes zur Umsetzung der übergeordneten Zielsetzungen. Die Lage der künftigen Baukörper mit „0m Abstand zur Straße“ ist weder fragwürdig noch abwertend sondern immanente Charakteristik der bestehenden Blockrandstruktur und somit aus der ortstypischen Bebauungsstruktur im Gebietsbereich abgeleitet.“

Diese sogenannte „ortstypische Bebauungsstruktur der Blockrandverbauung“ gibt es nur in der Annenstraße und Idlhofgasse, aber nicht entlang der Niesenbergergasse zwischen Elisabethinergasse und Idlhofgasse. Hier hatte die Gasse einst die Funktion eines Mistwegs für das Kloster der Elisabethinen. Bis heute ist sie teilweise nur als sehr schmaler Fußweg ausgebildet, bzw. gibt es nicht einmal im Bereich der Krankenhauszufahrt Platz für einen Gehsteig. Die Idee hier eine dichte Blockrandverbauung realisieren zu wollen ist ein städtebaulicher Kardinalfehler!

Auf die Einwendungen, die sich gegen eine Verbreiterung der Niesenbergergasse aufgrund des zukünftig höheren Verkehrsaufkommens aussprachen, hatte das Stadtplanungsamt folgende Antwort:

„Die Niesenbergergasse ist teilweise mit einer Breite von 10,0 – 14,0 m bereits als öffentliches Gut (im Besitz der Stadt Graz) gegeben, eine Erweiterung ist somit nicht notwendig. Die Grundstücke Nr.755/1 und 2294 sind gemäß 3.0 Flächenwidmungsplan 2002 als Bauland ausgewiesen derzeit jedoch teilweise als Wiesenflächen mit einzelnen Bäumen bestehend. Für die Flächen entlang der Niesenbergergasse wird ein Gestaltungsentwurf mit Einbindung von Grünelementen durch die Stadtplanung erstellt.“

In der Niesenbergergasse 14-16 wurde vor kurzem ein Wohngebäude mit 63 Wohnungen fertiggestellt, die Hälfte davon sind reine Nordwohnungen. 
Der für diese schmale Gasse zu hohe Neubau zeigt auf, wie unpassend und städtebaulich falsch hier das Konzept einer 6-geschossigen Blockrandverbauung mit Baufluchtlinie direkt am öffentlichen Gut ist. Die vom Stadtplanungsamt als notwendig erachtete Baufluchtlinie nahm keine Rücksicht auf den Kronendurchmesser der Bestandsbäume, man hatte auch vergessen die Bestandsbäume in den Plan einzutragen! So mussten die Bäume brutal zugestutzt werden. Laut Auskunft von Firma Handler (Baufirma und Investor) hat die Abteilung Grünraum und Gewässer diesen einseitigen Rückschnitt vorgenommen. Vom Straßenamt habe man die Randsteine erhalten und alles so ausgeführt wie die Stadt das wollte.
 
Ist das jetzt die Umsetzung des Gestaltungsentwurfs der Stadtplanung mit Einbindung von Grünelementen, der in den Einwendungsbeantwortungen versprochen wurde? 
Aus dem üppig bepflanzten öffentlichen Raum, der zum Verweilen einlud, ist ein durch Randsteine abgegrenztes unzugängliches Abstandsgrün mit verstümmelten Bäumen geworden, von dem niemand etwas hat.

Der größte Fauxpas aber ist, dass auf Fußgänger*innen und Radfahrer*innen total vergessen wurde! Im Rahmen des Bebauungsplans wäre es möglich gewesen, Abtretungsfläche für einen Geh- und Radweg vorzuschreiben.
Die Gemeinderäte, die sich damals für das Anliegen der Bürger*innen zumindest teilweise eingesetzt haben, waren:
 GR. Topf (ÖVP), GR. M. Grossman (SPÖ), GR. Eber (KPÖ), GR. Dreisiebner (Grüne). Georg Topf und Karl Dreisiebner sind noch als Gemeinderäte tätig, Manfred Eber ist nun Stadtrat.

Übrigens: Die Handler-group vermarktet das Projekt unter dem Namen City Garden Living. Es gibt Hochbeete für die Hälfte der Wohnungen.

https://handler-group.com/immobilie/niesenbergergasse/

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