11/03/2022

Helmut und Johanna Kandl. Palette

Die Ausstellung erzählt Geschichten über den Ursprung von Rohstoffen, die in der Malerei, aber auch in der Küche Verwendung finden. Bis zum 13.3.2022 im Kunsthaus Graz können Sie selbst noch auf Entdeckungsreise gehen.

11/03/2022

Ausstellungsansicht: Helmut und Johanna Kandl. Palette, Kunsthaus Graz, 2022

©: Marlene Liska

Ausstellungsansicht: Helmut und Johanna Kandl. Palette, Kunsthaus Graz, 2022

©: Marlene Liska

Ausstellungsansicht: Helmut und Johanna Kandl. Palette, Kunsthaus Graz, 2022
"Tomorrow is ours" (Arbeiterinnen, die das Gummi Arabicum herstellen)

©: Marlene Liska

Ausstellungsansicht: Helmut und Johanna Kandl. Palette, Kunsthaus Graz, 2022

©: Marlene Liska

Im ersten Obergeschoß des Kunsthaus Graz werden wir von einem großen Triptychon empfangen, das ein Mohnfeld zeigt und ein paar Schritte weiter rechts findet man eine Transportkiste vor, auf der unterschiedlichste Lebensmittel präsentiert werden. Für den bildenden Künstler Christoph Srb ist es sofort klar, warum wir hier von Mohnöl, Kaugummis, Heilerde, Eiern, Leinsamen oder Coca-Cola begrüßt werden. Die Rohstoffe, die in der Ausstellung besprochen werden sind sowohl für die Malerei, wie auch für die Küche relevant. Das Mohnöl verwendet man zum Beispiel zum Anteigen von weissem Pigment und als Malmittel für weisse Ölfarbe, da es im Vergleich zum Leinöl nicht gilbt. Die Pflanze Lein hingegen ist aus zweierlei Gründen für die Malerei von großer Bedeutung. Flachsgewebe als Bildträger ermöglichte großformatige Gemälde, die durch ihr geringeres Gewicht im Vergleich zu Holztafeln einfacher zu transportieren waren. Am Boden neben der Kiste steht ein ausgestopftes Huhn aus Johanna Kandls Atelier. Es verweist auf die Eitemperamalerei, die seit der Romanik angewandt und auch von der Künstlerin praktiziert wird.

Als Tochter von Farbenhändlern, studierte Restaurateurin und bildende Künstlerin hat sich Johanna Kandl ein Wissen angeeignet, das im 20. Jahrhundert durch Standardisierung und Industrialisierung von Malmitteln weitgehend verschwunden ist. Ihre Erfahrungen hat sie während ihrer achtjährigen Tätigkeit als Professorin für Malerei an der Universität für Angewandte Kunst an ihre Student*innen weitergegeben.

Helmut und Johanna Kandl beschäftigen sich seit beinahe zehn Jahren intensiv mit dem Ursprung von Rohstoffen und unternehmen Reisen in entlegene Gebiete, um sich vor Ort ein Bild zu machen, kommen in direkten Kontakt mit den Menschen und erzählen deren Geschichten.

Pigmente sind eines von vielen Themen, die in der Ausstellung verhandelt werden. Christoph Srb erinnert sich insbesondere an eines, das Hormusrot, da er als Assistent im Auftrag der Kandls damit gearbeitet hatte. Es stammt von einer iranischen Insel im persischen Golf und wird aus dem Roteisenstein (Hämatit) gewonnen. Es ist sehr deckend und hat eine intensive dunkelrote Farbe. Zwei Malereien werden nebeneinander präsentiert. Eines zeigt die Arbeiter beim Abbau des Pigments, die für die Künstler*innen posieren und in Rot zu versinken scheinen. 
Farben können aus Pflanzen, Tieren, Mineralien gewonnen, aber auch synthetisch hergestellt werden. Das Blau des Lapislazuli war so wertvoll wie Gold, dass es nur begüterten Auftraggebern möglich war, dieses Pigment vermalen zu lassen. Ab 1828 kam die Revolution: Ultramarin konnte nun künstlich hergestellt werden, ein Blau, das für jede Künstler*in leistbar wurde. Ein monochromes blaues Großformat zeigt eine Maschine zur Herstellung dieses Pigments. 
Darüberhinaus werden Erdfarben wie Ocker, Siena und Umbra, tierische Produkte wie das Karminrot der Cochenillelaus, die Herstellung von Zeichenkohle, ebenso wie Pigmente, die aus Mineralien gewonnen werden, thematisiert. 

Die Geschichtenerzählung ist vielschichtig. Die Ausstellung erweckt eine Assoziation zu Kunst- und Wunderkammern vergangener Zeiten. Große Gemälde werden neben dokumentarischen Filmen, handgeschriebenen Informationstafeln und Landkarten, Herbarien, Mineralien, präparierten Tieren und vielem mehr gezeigt.

Die Filmpremiere von “Pecher und Köhler, Schönbrunner Gelb und Kremser Weiß”, die am 4.3.2022 ergänzend zur Ausstellung im Kunsthaus Graz stattfand, verdeutlichte wie gut Helmut und Johanna Kandl zusammenarbeiten, gemeinsam den Fragen nach dem Ursprung von Rohstoffen nachgehen und die Menschen hinter dem Produkt dabei in den Vordergrund rücken. Zur anschließenden Podiumsdiskussion war unter anderem Georg Kremer, der Gründer von Kremer Pigmente eingeladen. Mit seiner Farbenmühle macht er seit den 70er Jahren hochqualitative Pigmente weltweit wieder für Restaurateure und Kunstmaler verfügbar, kann sehr interessante Geschichten erzählen und hat die Kandls bei ihrer Recherche beraten.

Die Ausstellung ist noch bis zum 13.3.2022 im Kunsthaus Graz zu sehen. Da wir an dieser Stelle nur einen kleinen Einblick geben konnten, empfehlen wir einen Besuch. Wie werden z. B. Pinsel hergestellt oder was hat Heavy Metal mit dem Erzberg zu tun? Es gibt viel zu entdecken!

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