16/06/2023

Mangelhafter Ortsbildschutz in Birkfeld - Teil 2

Volkstümelei statt Baukultur – „die Edlseer Alm“ ein Höhepunkt der Ortsverschandelung in der Marktgemeinde Birkfeld. Der „politische Wille“ hat sich wieder einmal gegen Baukultur entschieden. Raumplaner und Ortsbildsachverständiger fanden nichts Negatives dabei.

16/06/2023

Rechts der Strasse befindet sich das Ortsbildschutzgebiet. Ein Neubau und die Edlseer Alm nehmen keine Rücksicht darauf.

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

die Edlseer Alm mit Hoamatkapelle im Vordergrund

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Almverhüttelung

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Blick von der Almterrasse auf Schloss Birkenstein

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

brutale Stützmauer entlang des Radweges mit Sponsorenlogos - ein Highlight der Baukultur

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

tiefgründige Botschaften der Edlseer-Band

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Mariengrotte im Untergeschoss der Alm

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Spielplatz am Steilhang und noch eine absurde Terrasse

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Spielplatz am Steilhang mit Geländeeingriffen im Widerspruch zum Ortsbildschutz

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Edlseer Alm von oben

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

verordnetes Ortsbildschutzgebiet mit Darstellung der neuen Verstösse dagegen

Goggle Luftbild, Bausünden im Ortsbildschutzbereich

Die Marktgemeinde Birkfeld hat ein rechtskräftig verordnetes Ortsbildschutzgebiet. Das scheint in Birkfeld aber so gut wie niemanden zu kümmern. In den letzten Jahren wurden Häuser, die sich bisher relativ gut in das Ortsbild eingefügt haben, unsensibel umgebaut und erweitert. Doppel- und Dreifachgaragen wurden in den Hangrücken unter der geschützten Ortskrone gebaut und mit hässlichen Zyklopenmauern das Gelände abgesichert. Und das obwohl laut Schutzgebietsdefinition durch den Ortsbildschutz „besondere Aufmerksamkeit den Blickrichtungen auf die erhöht situierte, geschlossene Ortskrone gilt. Deshalb sind auch das Freiland vor dem Markt und die Hangrücken (Schwemmkegel) bis in den Talboden hinab miteinzubeziehen.“ Ein Auszug aus: G. Axmann, K. Gartler & U. Werluschnig, 1994, Ortsbildschutz Steiermark 1977-1994

Seit ein paar Jahren ist Architekt Klaus Walter Ortsbildsachverständiger und findet nichts Unvereinbares dabei, als Architekt auch im Ortsbildschutzgebiet mit Planungen beauftragt zu werden. In diesem Fall lässt er sich dann bei den erforderlichen Ortsbildgutachten von seinem Stellvertreter vertreten, der wiederum auch als Architekt in Birkfeld tätig ist. Man macht es sich halt einfach, aber das ist ja in vielen Orten so. Also quasi der „Steirische Brauch.“ 
Womit wir wieder beim Ausgangsthema sind. „Volkstümelei statt Baukultur“ am Beispiel der „Edlseer Alm“. Der Bau der Edlseer Alm wäre unter Einhaltung des Ortsbildschutzgesetzes meiner Meinung nach nicht möglich gewesen. Eine Rückfrage beim Birkfelder Ortsbildsachverständigen DI Klaus Walter ergibt, dass er keine Gutachten erstellt habe, denn seiner Meinung nach liegt dieses Bauvorhaben außerhalb der Schutzzone. Die aktuelle Darstellung des Schutzgebiets zeigt jedoch, dass dieses Areal sehr wohl in der Schutzzone liegt. 

Zur Frage, warum auf einem Grundstück mit der Widmung landwirtschaftliche Fläche dieses groteske „Almbauwerk“ gebaut werden durfte, fragte ich beim Raumplaner der Gemeinde, DI Kampus, nach. Der erklärte mir, dass der Flächenwidmungsplan eigens für dieses Bauprojekt abgeändert wurde und diese Änderung noch nicht im GIS eingespeist sei. Hier wurde von landwirtschaftlicher Fläche auf Kerngebiet umgewidmet. Ich merkte an, dass dies im Widerspruch zum Ortsbildschutz stehe und fragte ihn, ob er das nicht kritisch sehe. DI Kampus antwortete lapidar, das Raumordnungsgesetz hätte es zugelassen und es wäre der politische Wille gewesen, die Edlseer hier bauen zu lassen. 
Soll heißen: Der Raumplaner trat hier als Erfüllungsgehilfe des Bürgermeisters auf. Das ist ja auch der steirische Brauch und deshalb ist die Steiermark auch Nummer eins im Zersiedeln und Bodenversiegeln. 

Die für Bauangelegenheiten zuständige Beamtin der Gemeinde Birkfeld berichtete, dass alles seine Ordnung hätte, auch der Bausachverständige hätte nichts dagegen gehabt. Nur der Gemeinde-Kinderspielplatz musste für dieses Projekt verlegt werden. Der neue Kinderspielplatz am Steilhang wurde zwar auf Privatgrund errichtet, sei aber öffentlich nutzbar. (Die Familie von Fritz Kristofferitsch, Bandleader der Edlseer, betrieb hier früher eine Landwirtschaft.) 

Die volkstümliche Band „Die Edlseer“ darf in ihrer „Hoamat“ offensichtlich alles. Zuerst baute die Band die „Hoamatkapelle“, die sogar vom Pfarrer geweiht wurde, dann den „Hoamtwanderweg“ und nun zum 30-jährigen Bandjubiläum beglückten sie ihren „geliebten Hoamatort“ mit einer völlig verkitschten „Edlseer Alm“ mit Mariengrotte und einem weiterem Holz-Kreuz. Eine Alm mitten im Ort, im Ortsbildschutzgebiet, bestehend aus beliebig zusammengewürfelten und zusammengepfuschten Objekten, so volkstümelnd wie auch Musik und Texte der Edlseer sind. Und weil ja jede echte Alm über einen großen Kinderspielplatz verfügt (!), wird auch auf dieser Alm am Steilhang ein solcher errichtet. Auf dem halbwegs ebenen Fleck, wo sich vorher der Gemeindekindergarten befand, stehen jetzt die Almgebäude. Die Birkfelder Kinder und deren Aufsichtspersonen müssen sich halt im Kraxeln üben. 

Die Edlseer-Alm als neuer Start- und Zielbereich des 12 km langen Hoamat-Wanderweges soll zu einem Treffpunkt für Generationen werden. Die öffentliche Toilettenanlage sowie der Aufenthaltsraum stehen allen Besuchern rund um die Uhr zur Verfügung. Die Sonnenterrasse lädt zum Verweilen und pausieren ein. Kraft tanken in der Natur (Wo ist hier noch Natur?)und die Kinder beim Toben am öffentlichen Spielplatz beobachten. So können auch Eltern und Großeltern eine kleine Auszeit nehmen.“ (Quelle: MeinBezirk.at, 29. März 2023)

Edlseer-Frontman Fritz Kristofferitsch: „Dieses Projekt geistert mir seit Jahren im Kopf herum und ich habe wirklich lange mit mir gehadert, ob ich mir das antue. Nach einer gesundheitlich schwierigen Zeit, die ich Gottseidank positiv überstanden habe, ist es für mich aber eine Herzensangelegenheit Danke für all das zu sagen, was mir in meinem Leben positives widerfahren ist. Dieser Ort und der gesamte Weg sollen in Zukunft Menschen helfen, sich selbst zu helfen und wieder Kraft und Lebensfreude zu tanken. Wenn sich Leute freuen und das spüren, was ich empfinde - dann hab ich alles erreicht!“ (Quelle: MeinBezirk.at, 29. März 2023) 

Bei der Eröffnung der „Edlseer Alm“ war auch Landeshauptmann Drexler anwesend und sprach lobende Worte über die Edlseer.
„Die Steiermark kann stolz auf die EDLSEER sein. 30 Jahre – ein unglaubliches Bühnenjubiläum. Heute wird die EDLSEER ALM eröffnet. Ich gratuliere im Namen des Landes Steiermark und wünsche weiterhin alles Gute. Die Musik kennt man, sie macht einen glücklich und die Steiermark macht sie stolz.“ (Quelle: https://stori.at/a/2023/30-jahre-edlseer-eroeffnung-der-edlseer-alm-und-...

Was denkt LH Drexler in seiner Funktion als Kulturlandesrat über diesen baukulturellen Schwachsinn?

Anonymous

Dass Raumplaner Erfüllungsgehilfen der Politik sind, ist jetzt an sich nichts Neues. Kaum ein Raumplaner würde Widmungswünsche kritisch hinterfragen, außer diese sind rechtlich nicht durchsetzbar, aber selbst da gibt es genug Kniffe.
Das Thema Baukultur scheint die steirische Politik kaum zu interessieren außer bei medienwirksamen Auftritten mit dem Ortskernkoordinator, dass die sterbenden Ortskerne einer fehlgeleiteten Raumplanung der letzten Jahrzehnte geschuldet sind, wird nicht thematisiert.

Mi. 21/06/2023 10:44 Permalink
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