19/09/2023

Mit der Kolumne Schau doch! zeigt Peter Laukhardt auf, dass es im Grazer Stadtraum auch abseits des Weltkulturerbes unersetzliches Bauerbe zu entdecken und zu schützen gibt. Sie erscheint jeden dritten Dienstag im Monat auf GAT.

19/09/2023

Bild 1: Durchgänge beidseits der Hofgasse 

©: Peter Laukhardt

Bild 2: Arkadenhof in Sporgasse 22

©: Peter Laukhardt

Bild 3: Geheimgang Hofgasse – Sporgasse 

©: Peter Laukhardt

Bild 4: Ausgang neben der „Pastete“

©: Peter Laukhardt

Portal mit Pinienzapfen und Gedenktafel für den Arzt Dr. Leopold Schrötter, Ritter von Kristelli (Bild 5)

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Bild 6 Sporgasse 32, Hof

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Bild 7 Verbindungsgang im Eselstall

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Bild 8 Blutgassl

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Bild 9 Hofgasse 10, Taubenkobel

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Bild 10 Hofgasse 10, Durchgang

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Bild 12 Universitas Bild 13 Priesterseminar

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Bild 13 Portal zum Priesterseminar

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Bild 14 Priesterseminar, Refektorium

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Bild 15 Priesterhausgarten

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Bild 16 Färbergasse 15. Stiegenhaus

©: Peter Laukhardt

Wir haben bisher den Kern der Grazer Bürgerstadt auf Durchgänge abgesucht und sind sehr fündig geworden. Nun soll es eine „Etage“ höher gehen, zur „Stadtkrone“ (Burg und Dom), wo wahrscheinlich seit dem 12. Jh. ein zur Burg auf dem Schloßberg gehöriger Meierhof und eine Eigenkirche standen.

Die erste Stadtmauer von Graz, die ab ca. 1250 entlang der Rückseite der Färbergasse verlief, trennte beide Bereiche lange Zeit. Erst nach 1336 gab es – neben der Sporgasse – die ersten regulären Verbindungen zu den neu angelegten Straßen, der Bürgergasse und Burggasse. Wir werden in dieser Folge aber beiderseits der Hofgasse auf einige interessante Passagen stoßen, die heute noch immer darauf warten, öffentlich zugänglich zu werden.

Wir beginnen an der Ecke Sporgasse 22/ Hofgasse 2.

1. Durchgang im Deutschordenshaus

Ein schönes Steinportal aus dem 1. Viertel des 16. Jh., später gekrönt vom Kreuz des Ordens, der das Haus ja erst 1689 erwarb, führt uns in einen der schönsten Arkadenhöfe von Graz (Bild 2) – dem Deutschen Ritterorden würdig, der 1190 von adeligen deutschen Kreuzfahrern im „Heiligen Land“ gegründet wurde.

Die beiden ersten Geschosse und der Stiegenaufgang (der einzige in Graz) sind noch von spätgotischen Säulen geziert, darüber sind es bereits toskanische Säulen der Renaissance. Ein kleiner Arkadenhof ist auch im hinteren Teil des Hofes zu entdecken. Der einzigartige gotische Weinkeller, dessen Zugang vom Hof aus erfolgt, wird von der Besitzerfamilie gelegentlich für Führungen geöffnet, wofür man ihr nur herzlich danken kann.

Man kann nun durch das Haus Hofgasse 2 direkt zur Hofgasse gelangen. Schräg über die Gasse erreicht man dann den nächsten Durchgang, den ich als einen der besonders interessanten und geheimnisvollen bezeichnen möchte.

2. Geheimgang vom alten Münzhaus zur Goldenen Pastete

Der Eingang von Hofgasse 3 führt uns über ein Vorhaus und eine, die Steigung der Sporgasse überwindende, Stiege in einen winzigen Innenhof, dessen pittoreske „Pawlatschengänge“ leider vor einigen Jahren bei der Sanierung ihren Charme eingebüßt haben.

Von hier aus geleitet uns ein langer, mittelalterlicher Gang (Bild 3) mit nordwestseitigen Lichtöffnungen zu einem Portal, das direkt neben dem der „Goldenen Pastete“, Sporgasse 28, liegt (Bild 4). In letzter Zeit sind beide Zugänge meist nicht verschlossen, so dass einem Besuch dieser geheimnisvollen Passage nichts im Wege steht. Mit viel Vorstellungskraft kann man erahnen, dass hier manche den – rein spekulativ – gebliebenen Weg der Verbrecher vom Schloßberg zum Hauptplatz sehen könnten.

Nun! Wenn wir schon so weit die Sporgasse emporgekommen sind, sollten wir einen weiteren Durchgang einbeziehen.

3. Vom „Eselstall“ in die Ballhausgasse

Das Haus Sporgasse 32 – häufig durch das Interesse am gegenüberliegenden Palais Saurau in die zweite Reihe gerutscht – war die 1568 erbaute Hofstallung für die Maultiere und Esel des Erzherzogs und wurde 1792/93 für den Goldschmied Philipp Trost zu einem Wohnhaus mit einer josephinisch-klassizistischen Fassade umgebaut.

Das schöne Portal mit den Pinienzapfen und der Gedenktafel für den Arzt Dr. Leopold Schrötter, Ritter von Kristelli, wäre schon wieder zu renovieren, denn das in der Mitte von Lorbeergirlanden eingefasste Medaillon mit dem eingravierten Auge Gottes ist nur mehr schlecht erkennbar (Bild 5).

Der edel wirkende Hof glänzt an drei Seiten mit zweigeschossigen, auf ebenerdige Pfeiler gesetzte Pawlatschengänge, die 1880 offene Gänge ersetzten (Bild 6). Verlässt man den Hof über einen schmalen Gang (Bild 7) und einen kleinen Hinterhof in die Ballhausgasse, gelangt man in einen neueren Bauteil. Dieser wurde samt der nordwestlichen Ecke erst 1846 erbaut, nachdem hier das innere Paulustor abgebrochen wurde.

4. Das Blutgassl – die Öffnung ist noch immer ein Wunsch.

Der Zugang von der Färbergasse ist mit dem Hauseingang von Nr. 9 identisch und daher meist versperrt, aber die Gasse ist sonst gut begehbar (Bild 8). Die Stadt hatte durch finanzielle Hilfe die Sanierung der Gasse schon vor dem Jahr 2000 ermöglicht. Leider scheitert aber der nördliche Ausgang in die Hofgasse trotz mehrfacher Versuche seitens der Stadt Graz am Widerstand von Hausbesitzern. Zwar ist der ursprüngliche Ausgang im Norden  schon vor langer Zeit durch die Bäckerei Edegger verbaut worden. Aber es würde genügen, eine Tür in Hofgasse 8 zu öffnen, und man könnte in den Garten des „Taubenkobels“ und dann zur Hofgasse durchgehen. Es kann doch nicht ein Abstellraum für Müllkübel einer mittelalterlichen Gasse ihr Daseinsrecht verweigern.

5. Vom „Taubenkobel“ zum Freiheitsplatz.

Das Haus Hofgasse 10 sticht durch sein prachtvolles Aussehen hervor (Bild 9 und 10). Es wurde 1570/72 von Sallustio Peruzzi für den Hofvizekanzler Wolfgang Schranz erbaut. Um seinen gerne verwendeten Kosenamen „Taubenkobel“ zu verstehen, muss man seine Rückseite kennen: den 1619 für das nun hier eingerichtete Gymnasium angebauten Treppenhausturm mit seinen fünf Geschossen.

Dazu betreten wir das meist offen stehende Haustor, nicht ohne vorher einen Blick in das von einigen Säulen geschmückte Geschäftslokal links davon zu werfen. Aber auch der Aufstieg im Treppenhaus ist mehr als beeindruckend.

Der von einer Familie betreute, wunderbare Blumengarten zwischen dem Haupthaus und dem an das Blutgassl anstoßende Hinterhaus ist zugänglich und darf bestaunt werden. Von hier kann man an der Rückseite des ehemaligen landesfürstlichen Zeughauses in der Hofgasse 12 entlanggehen (Bild 11). Die hier geparkten Autos sollte man besser links liegen lassen.

Vielleicht ist dabei auch ein Blick über den Holzzaun in den Priesterhausgarten möglich – wir werden ihn aber bei einem anderen Durchgang sehen können. Wir erreichen schließlich eine Durchfahrt und gelangen von hier zum Freiheitsplatz. Der brutale Durchbruch durch die Gewölbe eines denkmalgeschützten, landesfürstlichen Gebäudes wurde 2004 „notwendig“, um die Parkplätze für einige Autos zugänglich zu machen! Kein Ruhmesplatz für den Denkmalschutz!

6. Hinter der Alten Universität

Da die alte Durchfahrt 2004 in einen Vorsaal für den im Obergeschoss gestalteten Festsaal umgebaut wurde – der ehemaligen Alten Aula, die vorher als Depot für das Steiermärkische Landesarchiv genutzt worden war –, muss man die oben kritisierte neue Einfahrt benützen, um hinter das Gebäude Hofgasse 14 zu gelangen.

Dieser Innenhof ist zwar wegen der an der Rückseite der Alten Aula angebauten Technik und trotz einiger Gestaltungsversuche keine besondere Zierde, aber man kann ihn dann durch das schöne Tor mit der Aufschrift „UNIVERSITAS“ wieder verlassen, vorausgesetzt, dieser Ausgang ist geöffnet.

Sollte das nicht der Fall sein, so ist ein kurzer Umweg von der Hofgasse in die Bürgergasse zumutbar. An der Ecke des ehemaligen Universitätsgebäudes sind die beiden schönen Wappen des Ehepaares zu bestaunen, denen Graz neben anderen Bauten auch das Gebäude der „Alten Universität“ verdankt: Es sind die 1609 angefertigten Wappen von Erzherzog Ferdinand II. (Bürgergasse) und das seiner Gemahlin Maria Anna von Bayern (Hofgasse).

Das Portal zu der von Erzherzog Karl II. in dem 1572 als Jesuitenkollegium (heute Priesterseminar) erbauten und 1586 eröffneten und dann von Kaiser Franz I. wiederbelebten „UNIVERSITAS“ (sie heißt ja deshalb „Carola Francisca“), ist ein schönes Beispiel der Renaissance-Architektur aus 1609, dem Jahr, in dem Ferdinand II. den Neubau begonnen hat. Die Engel in den Bogenzwickeln stellen mit Kreuz und Weltkugel die Studienrichtungen Theologie und Wissenschaft dar (Bild 12).

7. Der Priesterhausgarten – unbekanntes Gartenkleinod

Gleich neben dem Portal zur Alten Universität lädt das Priesterseminar zum Eintreten ein (Bild 13). Die kannelierten Säulen weisen auf die Erbauung durch Vincenzo de Verda hin (1572), nach 1692 wurden in den Bogenzwickeln Rosetten und die Türblätter mit dem geschnitztem Maskeron eingesetzt. Die im Giebelfeld von Adlern flankierte Inschrift stammt aus 1802/03 und weist auf Kaiser Franz II. hin.

Das mächtige Gebäude, das wir betreten, hat viele architektonische Besonderheiten zu bieten, wie etwa die Prunkstiege im südlichen Trakt oder das Diözesanmuseum im Osttrakt. Wir gehen aber gleich nach dem Ecksaal den Gang in westliche Richtung. Mit eingeholter Genehmigung könnten wir in den Garten – vorbei an dem wunderbaren Refektorium mit seinem großartigen barocken Holzportal (Bild 14).

Ein Brunnen aus 1657 und die Statue des hl. Xaver, der einen Heiden tauft, verleihen dem einzigartigen Ambiente Glanz. Der Blick auf den „Taubenkobel“ gibt ihm Perspektive (Bild 15).

Es ist ein großartiges Zeichen unserer Zeit, dass dieses grüne Paradies seit einigen Jahren als Pausenraum für die Schulen vom „Ferdinandeum“ aus zugänglich gemacht wurde. Dabei wurde die erste Stadtmauer von Graz durchbrochen (Bild 16).

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