08/08/2023

Wolkenschaufler_73
„Je natürlicher, desto abstrakter“ – Josef Taucher (1948 – 2022)

Die Kolumne Wolkenschaufler von Wenzel Mraček zu Lebensraum, Kunst und Kultur(-politik) erscheint jeden 2. Dienstag im Monat auf GAT.

08/08/2023

Freiflughalle, Hong Kong

©: Zita Oberwalder

Der Pfefferfresser, 1972; Tempera auf Papier, 125 x 125 cm

©: Wenzel Mraček

ABTRAGUNG XXXII, Gr. Koppenkarsten, Dachsteingebirge, 1982; Öl auf Leinwand, 186 x 146 cm

©: Wenzel Mraček

HIMMEL 26, 2005; Öl/LW, 57 x 57 cm

©: Wenzel Mraček

AUSBRUCH 1, Diptychon, 2017; Öl/LW, 205 x 300 cm

©: Wenzel Mraček

Ausstellungsansicht

©: Wenzel Mraček

In der Zeitschrift Lichtungen (Zeitschrift für Literatur, Kunst und Zeitkritik, Nr. 101. Jahrgang XXVI) erinnerte sich der Grazer Kunsthistoriker Werner Fenz 2005, dass die „avancierte Kunst“ der sogenannten Postmoderne bis auf wenige Ausnahmen kaum mehr an dem „Verhältnis Kunst – Natur“ interessiert gewesen sei. In einer Zeit zumal, als die Neue Wilde Malerei mit ihrem informellen und emotionalen Gestus in Deutschland und Österreich Furore machte, „taucht der 1980 zu den internationalen Malerwochen in der Steiermark eingeladene Josef Taucher auf – und malt Gebirge“.

Das Kunsthaus Weiz widmet dem im Vorjahr verstorbenen Maler nun eine Ausstellung unter dem Titel Tauchergänge, für die Tauchers Lebensgefährtin Christine Hollerer und Kunsthaus-Kurator Georg Gratzer eine ausgesprochen sorgsame Auswahl über die gesamte Schaffenszeit des Künstlers getroffen haben.

1948 in Weiz geboren, erlernte Josef Taucher hier zunächst den Beruf des Maschinenschlossers und Elektroschweißers. Künstlerische Ausbildung erfuhr er von 1970 bis 1974 in der Abteilung Malerei und Grafik der Grazer Ortweinschule mit Lehrern wie Herms Fritz und Forum-Stadtpark-Mitbegründer Richard Winkler. In dieser Zeit aber setzte Tauchers Liebe zum Bergsteigen und Felsklettern ein. Er absolvierte zahlreiche Touren im In- und Ausland, darunter einige Erstbegehungen wie, 1971, die der Torstein-Westwand am Dachstein. 1976 veröffentlichte der geprüfte Bergsteiger einen Kletterführer zu Weiz- und Raabklamm. In der Ausstellung zeigt ein Bild (ÖL/Dispersion/LW) aus diesem Jahr Taucher und seinen Kollegen Hans „Knochi“ Sindlhofer auf einem Gipfel des Brenta-Gebirges im Trentino. Vor tiefem Horizont finden sich die beiden, in Umrissen und Binnenstruktur gezeichneten, Figuren der Bergsteiger in einer schon abstrahierten Landschaft aus vor Weiß gezeichneten Felsstrukturen, in dunklem Grün gemalten Wiesenflächen und hell bewölktem Himmel mit einem Stück Blau. Die Tendenz, nach der bergiger Hintergrund in den folgenden Jahren und Werken sukzessive zum Motiv werden sollte, lässt sich an diesem Beispiel schon absehen. Und dass es Taucher zunächst noch um die Wiedergabe tatsächlich existenter (Berg-)Motive ging, zeigt das Beispiel der ABTRAGUNG XXXII von 1982, im Untertitel beschrieben als Gr. Koppenkarstein, Dachsteingebirge. Die Darstellung des Felsmassivs im weiß mit Blauschattierungen angelegten Ölbild erscheint allerdings schon wie die späteren Strukturmalereien, die Taucher zwar selbst noch als Berg- oder Felsbilder bezeichnet hat, die aber im Grunde auf kein spezifisches Motiv mehr verweisen. Sinngemäß hatte mir Taucher noch 2015, anlässlich seiner Ausstellung mit damals jüngsten Arbeiten in der Kunsthalle Graz, gesagt, die „Berge“ seien alle „erfunden“, die entstünden „aus dem Malen“.

Im Selbststudium hatte sich Josef Taucher aber auch zum allseits anerkannten Mineralogen gebildet. Zeichnungen und Beschreibungen (Stahlfeder/Tusche/Buntstift) der eigenen Sammlung finden sich ebenfalls in der Ausstellung. Neben zahlreichen Fachpublikationen arbeitete er auch für die Abteilung für Mineralogie des Landesmuseums Joanneum. Er entdeckte und beschrieb vier weltweit neue Mineralspezies und mit Christine Hollerer veröffentlichte er 2001 Die Mineralien des Bundeslandes Steiermark in Österreich – zwei Bände im Umfang von 2100 Seiten mit insgesamt 12.000 Ortseinträgen.

In mehreren Abteilungen der Ausstellung sind Exponate und erläuternder Text vor karierten Flanellstoffen affichiert. Freundlich und unprätentiös gab er sich auch uns gegenüber, als wir ihn zu Vorbereitungen besagter Ausstellung in der Kunsthalle Graz in seinem Haus in Übelbach besuchten. Er immer im karierten Flanellhemd, zeigten wir uns besorgt um den schadlosen Transport mehrere Meter großer Dip- und Triptychen, die da im Hof an die Hauswand gelehnt standen. „Das geht schon“, meinte der Sepp wie beiläufig, „die halten was aus. Habt’s eh an VW-Bus.“

In der Totalen wie massive Gebirge, erscheinen die Details in den späten Großformaten wie Strukturen von Mineralien, die er für seine analytischen Bestandsaufnahmen gezeichnet hatte. Die Erkenntnisse des Sammelns und Forschens nach Gesteinsarten und Mineralien dürften demnach wohl vom Kleinen ins Große übersetzt worden sein. Suchen und Forschen, Finden und Analysieren und die immense zeichnerische und malerische Fertigkeit führten Josef Taucher zu den überzeugenden Entwürfen imaginierter wie vorstellbarer (Berg- und Fels-)Landschaften. 

Ausstellung: Josef Taucher, „Tauchergänge“. Bis 9. September 2023 im Kunsthaus Weiz.
(siehe weiterführender Link)

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