15/03/2022

Schau doch! 17

Wetzelsdorf. Vom strohgedeckten Winzerhaus zur Zarenvilla.

Die Kolumne Schau doch! von Peter Laukhardt erscheint jeden dritten Dienstag im Monat auf GAT.

15/03/2022

Bild 1: Riedkarte Wetzelsdorf (FK von 1820, StLA)

Bild 2: Schutz-Kataster Wetzelsdorf mit den beiden Routen (© Laukhardt)

Bild 3: Wezil in der Urkunde von ca. 1050

Bild 4: Detail der „Zarenvilla“

Bild 5: Landhaus am Neupauerweg

Bild 6: Alt und neu

©: Peter Laukhardt

Diesmal möchte ich die Leser auf ein Stück eines Weges führen, der schon vor den Zeiten der Römern begangen wurde: die Krottendorfer Straße in Wetzelsdorf. Ich wollte dabei auch die Reste der alten Dörfer Wetzelsdorf und Krottendorf beschreiben. Als mir diese Idee für meine Kolumne gekommen war, griff ich nicht nur zu meinen alten Aufzeichnungen, sondern auch zu dem 2001 erschienenen Buch von Annemarie Reiter „Wetzelsdorf. Seinerzeit – zu meiner Zeit“. Es beinhaltet eine Fülle von Informationen zur Geschichte der Altbauten, die meine Baubeschreibungen auf www.grazerbe.at ergänzen sollten. Zusätzlich beschaffte ich mir antiquarisch – aus Deutschland – die Broschüre „Geschichtswerkstatt Graz 1997 Wetzelsdorf“. Letztlich war mir die fortschreitende Digitalisierung hold, denn nicht nur die Riedkarten, sondern auch die Bauparzellen-Protokolle zum Franziszeischen Kataster der KG Wetzelsdorf von 1820 sind nun online verfügbar (ein Dankeschön dem Steiermärkischen Landesarchiv und seinen EDV-Technikern !) .

Die Menge der aus der Zusammenstellung und mehrerer Begehungen entstandenen, neuen Erkenntnisse ist jedoch so groß geworden, dass ich sie niemals in einer Kolumne hätte unterbringen können. Der von mir gedachte Rundgang mit 40 Stationen hätte sich hier nicht beschreiben lassen, und auch die Besprechung nur der allerwichtigsten Bauten würde die Kapazität dieser Kolumne sprengen. 

„Aus der Krise zur Chance“ ist eine meiner Devisen. Man hat – berechtigt – kritisiert, dass meine Beiträge zu wenig Bilder und zu viel Text beinhalten. Das liegt natürlich auch am Format, aber ich möchte deshalb an die Leser appellieren, bei einem Versuch mitzumachen. Ich habe für eine Begehung auf der Homepage von SOKO Altstadt zwei Routen erarbeitet, eine in der Ebene (braun markiert) und eine gebirgige (gelb markiert). Um sie zu laden, klickt man einfach auf die Links:

Route: Wetzelsdorf – Baugeschichte (grazerbe.at) oder
Route: Wetzelsdorf Ölberg – Baugeschichte (grazerbe.at)
Man kann sie auch bequem auf ein Handy laden und die Beschreibungen jeweils an Ort und Stelle lesen (Bild 2).

So wenig attraktiv der Name Krottendorfer Straße nämlich erscheint, so bedeutend sind zum Teil die Bauten, die sie und ihre Umgebung säumen. Ich habe hier 40 altehrwürdige Bauten aufgenommen, nur fünf davon sind unter Denkmalschutz, der Rest ist derzeit in ungeschütztem Zustand, da es hier keine Altstadt-Schutzzone gibt. Diese Gefährdung aufzuzeigen, ist auch ein Ziel dieses Aufsatzes. Die einer freundlichen Belehrung eines Hausbesitzers verdankte Entdeckung eines erhalten Winzerhauses wird zu einem Antrag um Denkmalschutz führen.

Auf der ebenen Strecke, die nahe der Endstation der Linie 7 bei Krottendorfer Straße 3 beginnt, finden sich auf der Länge von rund 2 km 22 Objekte; wenn man die gebirgige Route bei Krottendorfer Straße 66 beginnt und über den Spielbergweg, den Neupauerweg und den Erdbergweg wandert, kommen noch weitere 18 dazu.

Vielleicht ist es geboten, zuerst den Namen der beiden Dörfer zu klären, die wir durchwandern wollen. Die Bezeichnung Krottendorf kommt natürlich von der Kröte, auch wenn der um 1590 von Johann von Paar erbaute Edelmannsitz Krottenstein später zu Grottenhof „veredelt“ wurde. Wetzelsdorf dürfte auf einen Dorfgründer namens Wezilo zurückgehen. Die erste urkundliche Nennung von Wetzelsdorf stammt aus 1144, als am 14. Mai dem Stift Admont ad Wercelsdorf duas curtes, also zwei Höfe, als Sühne für eine Gewalttat am Abt zurückgegeben werden. Der Name des vermutlichen Dorfgründers Wezil kommt aber schon in einer in Straßgang ausgestellten Urkunde von ca. 1050 als Uvezil und Wezil vor; zur Einsicht in das Original war ich 2010 in das Staatsarchiv Bozen gereist (Bild 1). Nach den Untersuchungen von Karl Spreitzhofer kann man auch wegen der Namen –dorf diese Gründungen auf das 11. oder 12. Jahrhundert datieren, in eine Zeit also, wo die bairische Besiedlung schon stärker in Gang gekommen war. Das 1074 gegründete Stift Admont hatte ja hier bald schon Besitz. Spreitzhofer sieht in dem einen der oben genannten Höfe den Ansitz Krottenstein (heute Grottenhof, Krottendorfer Straße 104), der zweite ist nicht eindeutig zu lokalisieren.

Wenn man die Riedkarte zum Franziszeischen Kataster von 1820 betrachtet (Bild 1, hier die korrigierte Fassung, am Original sind Wetzlsdorf und Einöde vertauscht!), sieht man: Weingärten, wohin man schaut (rosa dargestellt). Sie waren schon im 16. Jh. zum Großteil im Besitz reicher Grazer Bürger und Adeliger. Ist auch der Weinbau vom Beginn des 19. Jhs an immer mehr zurückgegangen, so wurden doch bis in die 1970er Jahre noch verschiedene Rebkulturen gezogen. J. A. Janisch beschreibt in seinem Lexikon 1885 den hier gekelterten Wein als zwar nicht besonders ausgezeichnet aber gesund und wohlschmeckend. Im Weingartl des Brandauhofes (Neupauerweg 16) gab es 1961 noch 80 Weinstöcke mit blauem Portugieser und beim benachbarten vulgo Fischer (Erdbergweg 37) ca. 200 Stück mit vorwiegend Gutedeltrauben. Wo kaum anderswo, sind Herren- und Winzerhäuser noch heute erhalten oder in Neubauten übergegangen. 

Einige, in den Einzel-Beschreibungen vorkommende Begriffe aus dem Weinbau sollten hier auch erläutert werden: Urbar nannte man früher das Verzeichnis der Besitzungen einer Herrschaft mit den dafür zu leistenden Abgaben (Zinsen); ein Berg-Urbar ist ein Besitz mit Weingarten; Bergrecht ist die von diesem Besitz an den Grundherrn (die Herrschaft) zu leistenden Abgabe (der Begriff Berg hat nichts mit Bergbau zu tun, sondern kommt von Weinberg); Verlögpfennig war eine Bezeichnung für die Abgabe von einem Weingarten in Geld; Söchter/Sechter war ein Flüssigkeitsmaß, ca. 15 Liter; Viertl war eine festgelegte Abgabe für einen Weingarten, ca. 17,5 Liter; Weinzierl war der Winzer, Weinzierley eine Winzerei.

Nun will ich aber auf die Routen Geschmack machen und mit Detail-Fotos andeuten, was sich der Spaziergänger erwarten kann. Ich nenne als Beispiele: einen Ansitz aus der Renaissance, ein strohgedecktes Winzerhaus, ein kleines Schloss Miramare, ein prachtvolles Jugendstil-Anwesen, ein fast gänzlich verschwundenes Sanatorium, eine Reihe schöner Villen, darunter die „Zarenvilla“ (Bild 4), aus Weingartenhäusern entstandene sehenswerte Landhäuser (Bild 5), in denen es zum Teil noch alte Weinpressen zu bewundern gibt … Und – für diese Plattform nicht unwichtig: Es gibt Dutzende moderner Architekten-Häuser zu bestaunen, auch wenn sie manchmal nur ihre Kehrseite zeigen (Bild 6).

Viel Spaß beim Erkunden!
Peter Laukhardt

Kroaten keine Kröten

Krottendorf bei Güssing: In den urkundlichen Belegen findet man für dieses Dorf die Namen Horvätfalu oder Croaticus pagus und Hrvatsko selo (Breu 1971: 63). Daher ist es wahrscheinlich, dass der deutsche Name Krottendorf eigentlich soviel wie „Kroatendorf” und nicht „Krötendorf” bedeutet hat.
Das dürfte auch auf die Krottendörfer in der Steiermark (bei Weiz und Graz) zutreffen.

Mi. 16/03/2022 16:50 Permalink
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