04/10/2023

Die IG Architektur bezieht regelmäßig auf www.gat.news zu aktuellen Themen Position. Diesmal thematisieren Christof Mathes und Clemens Nocker u.a. den Umgang mit der Ressource Boden, die Diskussion um die Flächenwidmungskompetenz und fehlende Fördermöglichkeiten für einen räumlichen Transformationsprozess.

04/10/2023

Das Bild zeigt den Tiroler Ort Steinach am Brenner, der sich seit dem Bau der Brennerautobahn im Jahr 1968 stark verändert hat und dessen Raumplanung ein klares negatives Beispiel ist. Im Hintergrund sind die Gschnitztalbrücke und die kürzlich errichteten Chalet Häuser zu sehen.

©: Clemens Nocker

Der kürzlich vertagte Beschluss für eine österreichweite Bodenstrategie sieht vor, den Bodenverbrauch von ca. 10 auf 2,5 Hektar pro Tag zu reduzieren. Die Klimakrise macht ein Umdenken notwendig, um EU Vorgaben und nationale Klimastrategien mit den Bundesländern abzustimmen. Es gibt seit einigen Jahren ein großes mediales Interesse am Bodenverbrauch in Österreich und das Einfamilienhaus wurde berechtigterweise zum Feindbild stilisiert.
Österreich ist eines der wenigen EU-Mitgliedsstaaten ohne ein Nationales Raumordnungsgesetz, wodurch die vorgeschlagene Bodenstrategie keine direkte österreichweite Verbindlichkeit hat. Die Kompetenzverteilung der überörtlichen Raumplanung liegt bei den Bundesländern und wird durch 9 Raumordnungsgesetze geregelt. Die oberste Instanz für die örtliche Raumplanung sind die Bürgermeister*innen, eine Tatsache, die sehr oft zu Kontroversen führt, wie der kürzliche Fall in einer Gemeinde in Niederösterreich bestätigt. Es gibt eine berechtigte Diskussion, ob diese Kompetenz aufgrund der Befangenheit der Entscheidungsträger*innen sinnvoll ist. In Tirol und Oberösterreich gibt es bereits Gemeindeübergreifende Planungsverbände, die Entscheidungen über zukünftige Umwidmungen und kommunale Steuereinnahmen gemeinsam treffen. Das Ansuchen für eine Betriebsanlagengenehmigung wird beim jeweiligen Bezirk gestellt, das könnte auch eine gute Option für die Raumplanung sein.

Fest steht, dass sich der Ernst der Lage in den letzten Jahren dramatisch verändert hat und es ein sehr großes Wissensspektrum braucht, um auf komplexe Zukunftsfragen die richtigen Antworten zu geben. Es muss auf vielen verschiedenen gesellschaftspolitischen Ebenen parallel gearbeitet und effektive Schritte gesetzt werden, um den rasant fortschreitenden Klimawandel einzudämmen.

Einer dieser Schritte ist auf Ebene der Kommunal- und Regionalplanung anzusetzen und den seit Jahrzehnten unkontrolliert stattfindenden Zersiedelungsprozess zu unterbinden. Es braucht Anreize, die verwaisten Dorfkerne zu reaktivieren und das Leben wieder dorthin zu bringen. Wertvolles Grünland, das die Grundlage für eine regionale Lebensmittelproduktion ist, darf nicht weiterhin in Bauland umgewidmet werden, sondern „gehortetes“ Bauland muss rückgewidmet werden. Es beginnt mit dem Flächenwidmungs- und dem Bebauungsplan, der die gesetzliche Grundlage zur Siedlungsentwicklung bildet und dem ein nachhaltiges Leitbild, das partizipativ entwickelt wird, vorangehen sollte. Kompakte Quartierskonzepte sollten umgesetzt werden, in denen soziale, kulturelle und ökonomische Synergien durch ein vielfältiges Raumprogramm entstehen können. Der autofreie, verdichtete Flachbau mit Nutzungsvielfalt, der die städtischen und ländlichen Qualitäten vereint, die Stadt der kurzen Wege nach sich zieht, ist eine spannende Lösung, um individuelle Bedürfnisse zu befriedigen und die Vorteile der Gemeinschaft zu nutzen. In den 1980er-Jahren gab es von den meisten Bundesländern Förderungen für die Errichtung von verdichteten Flachbauten, aktuell stehen kaum Fördermöglichkeiten für einen räumlichen Transformationsprozess in der Siedlungsentwicklung zur Verfügung. Es müssen klare, verpflichtende Richtlinien und Finanzierungsanreize geschaffen werden, um innovative Planungsprozesse zu ermöglichen, aus denen zukunftsfähige Projekte entstehen.

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16. + 17.11.2023
 
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