29/08/2023

Wenzel Mraček hat uns einen Beitrag von Albert Pall aus dem Jahr 2005 zur Wiederveröffentlichung vorgeschlagen.

Sie alle sind herzlich eingeladen, uns bezüglich der reposts zu unterstützen, indem Sie uns einen Artikel der letzten 20 Jahre nennen und kurz oder lang den Bezug zu dem ausgewählten Beitrag erläutern.

Senden Sie uns Ihre Vorschläge bitte an redaktion@gat.st@ mit dem Betreff repost.

29/08/2023
©: Redaktion GAT

Wenzel Mraček hat uns einen Beitrag zur Wiederveröffentlichung vorgeschlagen und folgende einleitende Zeilen formuliert:

Der Grazer Albert Pall betreibt „zuhause eine kleine Schriftstellerei“. Aus der gingen unter anderem die Radio Comics oder das Weihnachtshörstück Keks und Karpfen hervor (die Musik stammt jeweils von Josef Klammer), die auf Ö1 zu hören waren.

Für GAT hat Albert Pall etliche Texte verfasst, darunter der hier empfohlene Betrifft: Honorar aus dem Jahr 2005. Aufgrund eines zuvor von der Redaktion nicht angenommenen Textes gibt sich der Autor echauffiert und erklärt uns in seinem ironisch zu begreifenden längeren Gedankenspiel, worum es sich bei dem Begriff „Architektur“ so eigentlich handelt (nach Pall: zu handeln habe).

Am 10. August 2023 kam das neueste Stück zur Uraufführung im Grazer Volkshaus. a waiting ist ein Singspiel mit Musik nach Text (und Produktion) von Albert Pall, Komposition und musikalischer Leitung von Henrik Sande. https://a-waiting.mur.at/

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sonnTAG 095
Betrifft: Honorar
Albert Pall, So. 25/09/2005

Von: Albert Pall

An: Redaktion - www.gat.st

Graz, 21.09.2005

Betrifft: Honorar

Sehr geehrte www.gat.st - Redaktion,

die Ablehnung meines Textes „montag“ für Ihre Reihe „sonntag“ auf www.gat.st nehme ich zur Kenntnis.

Ihrer Verantwortung, der Text „montag“ stehe in keinem Bezug zu Ihrem Generalthema Architektur kann und will ich nicht folgen. Sie ließe ja einzig den Schluss zu, dass sich Ihr Verständnis von Architektur auf die Verwendung von Muster- oder Modematerialien zur Errichtung einer dreiachsigen Struktur redimensioniert. Was wiederum auf der Diskursebene IN der Architektur zu schreiben als Verbotszone definiert. Woraus folgt, dass Wort- und Satzbau, ja ganze Spracharchitekturen, für Sie kein Thema der Architektur sind. Woraus ich persönlich schließen mag, dass der Turmbau zu Babel für Sie nicht stattgefunden hat.

Näher liegt ihrem Verständnis offensichtlich, über Architektur zu schreiben oder schreiben zu lassen. Also fesche Zeichnungen, ebensolche Modelle oder tatsächliche Errichtungen zu beschreiben oder zu besprechen. Dies durchaus auch noch im weiteren Rahmen dessen, was Gesellschaft als der Architektur zugehörig erkennen mag - den Umgang, die Benutzbarkeit oder den Eingriff durch Errichtungen etwa. Die Begrifflichkeit Bauwesen wäre hiefür allerdings mehr als ausreichend.

Wie eng eben dieses Korsett der tatsächlichen Architektur sitzt ist allein schon dem Umstand zu entnehmen, dass es zwar eine gewaltige und Jahrtausende währende Architekturgeschichte mit imposanten und manchmal auch, schlicht gesagt, schönen Manifestationen der zeitlichen und gesellschaftlichen Zu- und Umstände gibt (natürlich in der Nachschau definiert (Eine alte Zeitung ist leicht zu lesen)), bis heute allerdings noch keine verfügbare variable Modalität, der eine dem Individuum genehme Errichtung folgen könnte.

Zwangsläufig, und hier kann ich Ihrer Ablehnung meines Textes durchaus folgen, beschäftigt sich diese Manifestation von Architektur mit der Hülle, mit dem, was einen Raum umschließt. Es folgt: die Hülle wird nach innen gestülpt, sich in der Blase befindend wird deren Haut als Außen definiert. Und ermöglicht damit weitere Zugänge zur Rezeption, ohne die Ebene verlassen zu müssen. Ein eher flacher Nabel zur Beschau.

Das Gemeinwesen, die Gesellschaft, die in diesem Verständnis von Architektur leben muss, wird dort zum reprojizierten Fluchtpunkt der architekturierten Annahme von Wirklichkeit. Was im Spiegel ist, ist nicht Thema, der Spiegel als solcher genügt sich selbst. Tatsächlich aber findet das rezeptorische Sein dort statt, wo der Spiegel in den Spiegel sieht.

So sehe ich es auch nicht als meine Aufgabe, über Rahmen oder Glas zu schreiben, was den Spiegel betrifft, oder über Beton, Stahl und Glas, was Architektur betreffen könnte, mein Thema ist eben der Raum in seinen verschiedensten (Aus-)Formungen und (thematischen) Zugängen. Ob diesen Räumen manifestes Material zugeordnet werden kann, oder eben diese Räume als Zwischenraum das zweidimensionale Abbild Ihrer Wirklichkeit zur Realität verkitten, kann mir in Ihrer Art der Rezeption im Grunde genommen egal sein. In jedem Falle gehe ich davon aus, dass die mehrmalige Erwähnung weiblicher sekundärer Geschlechtsmerkmale nicht zur Ablehnung des Textes "montag" geführt haben kann.

Da sich der hier vorliegende Text "Betrifft: Honorar" nun sehr wohl auf Ihr Generalthema Architektur bezieht, gehe ich weiters davon aus, dass Sie diesen veröffentlichen und erwarte den Eingang des vereinbarten Honorars auf das Ihnen bekannte Konto.

Mit freundlichen Grüßen
Albert Pall

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ALBERT PALL, geboren 1959 in Zell am See. Lebt und arbeitet als Schriftsteller in Graz.
Weitere Infos: http://lekes.at

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