13/04/2021

Wolkenschaufler_45

Denkmal Terrassenhaussiedlung
Graz-St. Peter

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Die Kolumne Wolkenschaufler von Wenzel Mraček zu Lebensraum, Kunst und Kultur(-politik) erscheint jeden 2. Dienstag im Monat auf GAT.

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13/04/2021

Terassenhaussiedlung Graz-St. Peter, Architektur: Werkgruppe Graz; Ansicht Süd-Ost, 2021, über den Gleiskörper der Straßenbahnlinie 6 hinweg

©: Wenzel Mraček

In einem 2012 auf GAT erschienen Interview wurde Landeskonservator (für die Steiermark) Christian Brugger um den gegenwärtigen Stand, aber auch Vorhaben gefragt, etwa „Bauten der Moderne“ (sic.) unter Denkmalschutz zu stellen. Aus heutiger Sicht erscheint mir interessant, dass der Neubau anstelle des Studentenheims am Hafnerriegel (Werkgruppe Graz) damals gerade von einem neuen Investor in Angriff genommen wurde. Christian Brugger, damals um den Erhalt der markanten Freitreppe gefragt, antwortete: „Das ist unproblematisch. Sollte jemand versuchen, die Treppe abzubrechen, selbst mit dem Abbruchbescheid der Stadt Graz, dann würde sofort eine §57-Feststellung auf dem Tisch liegen, womit das Objekt unter Schutz steht und der Abbruch illegal wäre. Abgesehen davon befürchte ich hier keine solche Situation. Wir haben gute Gespräche mit den Eigentümern und mit deren Rechtsvertretern.“ (siehe Artikel unten Was unter Schutz steht, steht unter Schutz)

Wie auch immer die Dinge in der Folge zustande kamen – das Hafnerriegelheim und die Außentreppe sind Geschichte. Aber generell, führte Brugger in diesem Interview aus, sei es schwierig, der Idee des Denkmalschutzes für „Bauten des dritten Viertels des 20. Jahrhunderts“ näher zu treten, weil „in großem Ausmaß mit Materialien und Konstruktionen experimentiert“ wurde, „die sich teilweise nicht als nachhaltig und dauerhaft erwiesen haben“. „Der Denkmalschutz in seiner traditionellen Vorstellung geht immer davon aus, dass an erster Stelle die Substanzerhaltung und die Bewahrung des Erscheinungsbildes stehen.“
2012 eine weitere Frage an Christian Brugger: „Ist die Terrassenhaussiedlung ein Thema für eine Unterschutzstellung?“ „Ja, sie steht auf unserer Agenda, ich kann aber noch nicht genau sagen, wann es soweit sein wird.“ Es sei jedenfalls schwierig, „die Wertigkeit in der Architekturgeschichte“ bei „relativ jungen Objekten zu definieren“.

Neun Jahre nach diesem Interview bestehen offenbar keine Zweifel mehr an dieser „Wertigkeit“. In der Kleinen Zeitung vom 9. April 2021 wird Christian Brugger zitiert, es handle sich um ein „Monsterverfahren“, in dem 800 Parteien Stellung nehmen können. Die Eigentümer befürchten einen Wertverlust und künftig problematische Behördenverfahren, wollte man etwelche Adaptionen am Eigentum (!) vornehmen. Das Denkmalamt habe sein Gutachten „überfallsartig zugeschickt“ und es blieben nur sechs Wochen für die Stellungnahmen.
Die Terassenhaussiedlung im Grazer Bezirk St. Peter wurde in den 1960er Jahren von der Werkgruppe Graz (Eugen Gross, Friedrich Gross-Ransbach, Hermann Pichler, Werner Hollomey; assoziiert waren Walter Laggner und Peter Trummer) für 2000 Bewohner entworfen. Errichtet wurden in zwei Bauabschnitten (1972 bis 1975 und ab 1978) vier Wohnblöcke in einer Höhenstaffelung von acht bis 14 Obergeschoßen. 522 Wohneinheiten umfasste die Anlage bei der Übergabe. Dominant („Substanz und Erscheinungsbild“) ist die Bauweise in Sichtbeton, womit die Anlage als eines der wohl markantesten Beispiele für österreichische Varianten des Brutalismus (von béton brut) steht.
An Wohnqualität mangelt es grosso modo offenbar nicht, besucht man die Homepage der Interessengemeinschaft Terrassenhaus St. Peter. Der „Aspekt der Partizipation“, wie ihn die Werkgruppe Graz in ihrem damaligen Vorhaben formulierte, „der Mitsprache und -entscheidung in der Ausformulierung der eigenen Wohnumwelt und der gemeinschaftlichen Bereiche spielen eine übergeordnete Rolle“. Eigentümer und Bewohner fürchten nun offenbar auf sie zukommende Beeinträchtigungen individueller beziehungsweise gemeinschaftlich vereinbarter Veränderungen. Zwar zeigen sich Eugen Gross und Kollegen erfreut über die avisierte Ernennung zum Denkmal, allerdings lenkt Gross ein: „Wichtig ist, dass die Siedlung sich weiter verändern kann, nach Bedürfnissen der Bewohner.“ Fotovoltaik ist dabei ein aktuelles Thema. Christian Brugger wiederum befindet, dass Fassaden und Außenanlagen erhalten bleiben müssten.
Meines Erachtens besteht nun das Problem darin, dass das Denkmalamt Regelungen für als Wohnraum genutztes Eigentum erstellen muss. Und das erinnert an den Fall Hallstatt vor elf Jahren. Während damals die historische Altstadt mit 94 Gebäuden schon unter Schutz stand, hatte das Bundesdenkmalamt vor, den Ensembleschutz auszuweiten, wovon auch viele Privathäuser betroffen gewesen wären. Nach Bürgerinitiative und parlamentarischer Behandlung wurde von dem Vorhaben abgesehen.

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