21/01/2022

Ein Gespräch im HDA stellte Optionen der Fassaden- und Dachbegrünung als Elemente eines ausgewogenen Stadtklimas vor. Im Anschluss an Vorträge von Mira Kirchner (MK Landschaftsarchitektur) und Rudi Scheuermann (Arup) wurden Grazer Beispiele wie die Uniqua Fassade reflektiert. Zudem die Frage: Ist im historischen Stadtkontext Fassaden- und Dachbegrünung zielführend?

21/01/2022

Mira Kirchnern von MK Landschaftsarchitektur (rechts) und Rudi Scheuermann von Arup (mitte), stellten im Gespräch mit Andrea Jany (links) Vor- und Nachteile der Fassadenbegrünung dar.

©: Thomas Raggam

Bäume an der Fassade des Uniqua-Haus in der Annenstraße in Graz (2019)

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

In einem Vortrags- und Gesprächspanel im Rahmen der aktuellen Ausstellung „The Landscape City“ im HDA präsentierten am 12.1.2022 Mira Kirchner, MK Landschaftsarchitektur Wien und Rudi Scheuermann, Arup Berlin, verschiedene Beispiele dafür, wie Fassadenbegrünung das städtische Klima verbessern kann.

In kurzen Vorträgen reflektierten die Gäste, welche Methoden zur Reduktion hoher Temperaturen im Stadtraum Sinn haben. Die Begrünung von Gebäudehüllen in historischen Stadtkontexten sollte im Mittelpunkt stehen, da in dicht bebauten Kontexten selten Spielraum für nachträgliche Adaptionen ist. Kernfragen der Veranstaltung thematisierten, wie Altbaufassaden und Begrünung zusammenpassen oder ob eine Begrünung nur im Zuge von Neubauten eine Option sei. Ob sich die Beispiele aus den Vorträgen auf Graz übertragen lassen, war beim Publikum von besonderem Interesse.

Aus aktuellem Anlass – die Diskussion über Dachflächenbegrünung und Stadtklimaveränderungen könnte im Zuge einiger Bauprojekte im Fokus der neuen Stadtbaudirektion und der neuen Stadtregierung stehen – fanden sich viele Besucher*innen, Architekt*innen, Expert*innen und Vertreter*innen der Stadt Graz im HDA ein. Beate Engelhorn, Gastgeberin der Veranstaltung, sprach ebenso einleitende Worte, wie Christine Radl von der Abteilung Grünraum und Gewässer des Stadtbauamts Graz. Beide betonten das Thema der „Landschafts-Stadt“ als klimarelevantes und notwendiges Diskussionsfeld. Frau Radl sprach von einer neuen Priorität, die „das Entgegenwirken gegen Versiegelung und Verbauung der Stadt unter der neuen politischen Konstellation“ in Graz erhalten soll.

Klassische Balkonbepflanzung wiederentdeckt

Wie könnte Begrünung in dicht bebauten, städtischen Räumen konkret aussehen? Die Landschaftsarchitektin Mira Kirchner führte in ihrem Vortrag aus, wie klassische Balkonbepflanzung Teil eines städtischen Begrünungskonzepts werden kann. Am Beispiel Alt Erlaa in Wien ging sie auf architektonische Elemente wie Pflanztröge, Balkonbalustraden und Parkgestaltungen ein. Einfache Beispiele, die in aktuellen Neubauten häufig fehlen. Alt Erlaa ist allerdings am Rande einer Stadt entstanden und stellt keinen gewachsenen Stadtkörper dar. Auch der Platzbedarf von großen Balkonbepflanzungen passt nicht zu der schwierigen Situation urbaner Nachverdichtung. Antworten, die auf eine bestehende urbane Situation eingehen, blieb Frau Kirchner leider schuldig. 

Argumente für vertikale Begrünung

Dazu vermittelte auch Rudi Scheuermann, Direktor und Global Leader Building Envelope Design bei Arup, in einem weiteren Vortrag nur vereinzelt konkrete Vorschläge. Begriffe wie Straßenstress und Heat Islands fehlten nicht in seiner Argumentation für die großflächige und weitreichende Begrünung von Gebäudehüllen. Differenzierter betrachtete er verschiedene Optionen zur Verbesserung des Stadtklimas, in Relation zu Form, Gestalt, Höhe und Dichte des Stadtkörpers. Dabei war zu lernen, dass je dichter und höher ein Straßenraum ist, desto wirksamer großflächige Fassadenbegrünung sein kann. Es wäre, laut Scheuermann, "immer abzuwägen, welche Art der Begrünung – bodengebunden oder über Habitatsflächen an Fassade oder Dach – die gewünschte Reduktion der Temperaturen" und damit die Verbesserung des Mikroklimas im Stadtraum erreichen kann. Scheuermann riß viele Aspekte und Problemstellungen an. Er thematisierte die Anforderungen an Wassermanagement und Pflegeaufwand im Zusammenhang mit Pflanzen in der Stadt. Vermittelte die positiven Effekte bezüglich Vermeidung von Feinstaub und Lärm. Im Vergleich dazu schienen ein paar seiner Beispiele für Fassadenbegrünung, explizit nannte er den Bosco Verticale in Mailand, allerdings eher unglücklich gewählt. Hier täten, laut Scheuermann, „Reiche letztlich durch die Pflege der Bäume in der Fassade des Luxushochhauses, wenigstens etwas für die Allgemeinheit.“ Deren Flächenverbrauch pro Kopf bezog er nicht in diese Überlegung ein. Das Beispiel der Algenfassade des Grünalgenhaus der IBA Hamburg ist zwar innovativ und experimentell, doch fehlt die Anwendung der grünen Fassade in weiteren Projekten, sodass es als Prototyp taugt, noch nicht aber als Beispiel für die erfolgreiche Verbesserung städtischen Klimas. Weiters führte Scheuermann drei Argumente für eine Begrünung ins Feld: Man könne die Temperaturen um bis zu 12 Grad in Strassenräumen von Städten über 1 Millionen Menschen senken, Lärm würde reduziert und man könne einer Klimatisierung der Gebäude entgegenwirken, was Energie spare, weniger Stress verbreite und weniger Krankheiten auslöse. Den Tenor seiner Präsentation formulierte er selbst: „Grüne Räume machen Menschen zu besseren und gesündere Menschen“. 

Ja oder Nein?

Der abschließende Austausch zwischen den Vortragenden und dem Publikum drehte sich um die grundsätzliche Frage, ob Begrünung nicht nur Dekoration und eine Behandlung von Symptomen sei. Man fragte sich, ob ein Ansatz, der sich stärker mit der Dichte städtischer Bebauung beschäftigt, zielführender wäre. Wie sehen Stadträume also aus, in denen Fassadenbegrünung überflüssig ist? Es kamen skeptische Wortbeiträge bezüglich Leistbarkeit und Nachhaltigkeit von begrünten Fassaden oder Gründächern. Ein relativ hoher und kontinuierlicher Pflegeaufwand spricht meistens genauso dagegen, wie fehlende, überzeugende Vorbilder. Die Vortragenden konterten mit Argumenten, wie man Investor*innen und Politik durch veränderte Kostenberechnungen überzeugen könne. Man formulierte den Appell, „hier gemeinsam umzudenken“. Immerhin wäre in Zukunft auch rechtlich der Druck auf Investor*innen und Architekt*innen höher, sobald EU-Richtlinien bezüglich der Green Economy und des Green Deals durchgesetzt werden. „Bauliche, wie technische Elemente brauchen immer Pflege“, führte Rudi Scheuermann erhellend ins Feld. Eine grüne Fassade braucht wie andere Gebäudeteile langfristig Betreuung. Interessanterweise würden nur selten Wartungskosten für technische Gebäudeausstattung in Frage gestellt, während die Aufwendungen für Pflanzenpflege negativ gesehen werden. Man könne, so Scheuermann, die Benefits bis hin zu verminderten Grafitti-Schäden transparent vermitteln. Dabei schneide die Grünfassade inkl. Wässern und Betreuung durchaus billiger als aufwendige, bautechnische Lösungen ab. „Es ist eine gute Zeit für Grüne Gebäudehüllen“, merkte er letztlich an, „Die EU, Banken wie Investoren springen aktuell voll auf das Thema der Grünen Fassaden auf, da das alles so nachhaltig aussieht.“

Weitere Perspektiven auf das Thema bietet das HDA in der Ausstellung The Landscape City/ Die Landschafts-Stadt, die noch bis Sonntag 23.1.2022 zu sehen ist.

Zum Nachsehen und Nachhören stellt das HDA ein Onlinevideo der Vorträge zur Verfügung. 

Nikolaus Fedl

Ich habe mir den Vortrag gerade im Internet angesehen.
Der Vortrag von Rudi Scheuermann / Arup Deutschland war sehr interessant und erstklassig.
Hinsichtlich Landschaftsarchitektur wäre es wünschenswert neben einem „Museumsbeispiel“ aus dem vorigen Jahrtausend (Anmerkung: Alt-Erlaa wurde sehr außergewöhnlich, sehr gut und zukunftsweisend zur damaligen Zeit in den 1960ern geplant), aktuelle Beispiele, Herausforderungen und Möglichkeiten aufzuzeigen.
Hier gibt es auch in der Steiermark hervorragende Landschaftsarchitekten, die Ihr Handwerk verstehen und über eine entsprechende Praxis in der Planung einer Dach- und Fassadenbegrünung verfügen.
Interessant ist auch der Zuseher-Beitrag von Architektin DI Elisabeth Kabelis-Lechner bei ca. 1Std29Min. Sie bringt die Thematik für Graz auf den Punkt.
„…Dachbegrünung die von der Stadt Graz im Rahmen von Bebauungsplänen vorgeschrieben wird und von niemanden wird die korrekte Ausführung kontrolliert. Dasselbe bei der Fassadenbegrünung…“
„Warum lassen wir zu, dass ganz dicht gebaut wird, unsere Innenhöfe alle versiegelt werden. Dort wo Versickerungsfläche ausreichend mit gewachsenem Boden vorhanden ist, wo es alten Baumbestand gibt, nein da müssen Autos rein, dann wird 40cm bzw. 70cm Überdeckung vorgeschrieben und auch nie überprüft, dann haben wir die Starkregenereignisse und keine Bäume mehr in den Höfen die einen Schatten werfen.
Warum … verordnen wir keine Alleen.
Das sind ganz einfache Maßnahmen… setzen wir einfach auf Bäume…“
Klar ist, dass bei allen Themen die Exekutive bei Bauamt bzw. Grünraum und Gewässer der Stadt Graz fehlt bzw. meist nicht wahrgenommen wird.
Die Ausführung wie z.B.: Substrataufbau, Substrathöhe, Spielplatzausstattung usw. wird nach Fertigstellung nicht kontrolliert.
Es geht teilweise so weit, dass nicht einmal die für den Einreichplan geforderten Maßnahmen durch die Stadt Graz, bei der Abgabe des Einreichplanes kontrolliert/eingefordert werden. Ausgeführt wird dann so billig wie nur möglich.
Die ganzen Wettbewerbe, Bebauungspläne werden ad absurdum geführt, solange es keine durchgängige Nachverfolgung, Dokumentation und Ahndung gibt.
Hinsichtlich Dach- und Fassadenbegrünung sei erwähnt, dass bei einer vernünftigen Bebauungsplanung mit ausreichender Grünfläche im Erdgeschossbereich, diese nicht notwendig wäre.
Nachdem die Baukörper mittlerweile bis zur Grundgrenze reichen und kein gewachsener Boden mehr übrig bleibt, ist die qualitative Dach- und Fassadenbegrünung allerdings unumgänglich. Hier gibt es zumindest tlw. verbindliche Vorgaben der Stadt Graz.
Besser wäre es die Bodenversiegelung zu begrenzen und max. die Hälfte der Grundstücksfläche (auch unterirdisch) zu verbauen!
Es ist nicht genug, das Gute zu wissen - Man soll es auch tun.

Fr. 28/01/2022 3:10 Permalink
Anonymous

Graz ist was das Thema Klima betrifft echt so weit hinten…. Schaut mal zu den architects4future!!

Sa. 22/01/2022 4:07 Permalink
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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