27/01/2022

Becoming Urban ist ein Projekt, das durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften gefördert wird. Im Mittelpunkt stehen Entwicklungen der Stadt Graz im 19. Jahrhundert. Damals beginnt die Stadt zu wachsen. Der Stadtraum verändert sich. Diese Veränderungen werden heute als historische Quellen genutzt. Ziel des Online-Tools ist es, das heutige Graz besser verstehen zu lernen. Zugang haben alle Interessierten über die Projekthomepage.

27/01/2022

Kartenwerkzeug der Raumzeitlichen-Analyse (Screenshot, gams.uni-graz.at, 25.1.2022)

©: Redaktion GAT

1911: Die sogenannte Wanzenburg an der Annenstraße Ecke Elisabethinergasse – heute das Rosseggerhaus (Screenshot, gams.uni-graz.at, 25.1.2022)

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1838: Stadtansicht von Westen, Murufer

©: GrazMuseum

Museen sind Orte des Staunens, des Austauschs und der Wissenschaft. Mit Digitalisierungsbemühungen haben diese kulturellen Schaufenster und Hot-Spots in den vergangenen Jahren neue Besucher*innen angesprochen und neue, diversere Wege der Wissensproduktion eingeschlagen. 

Auch in Graz wird mittlerweile immer mehr auf eine Kombination analoger und digitaler Vermittlung gesetzt. Dabei greift der Begriff „Vermittlung“ zu kurz, geht es doch darum, dass Interessierte sich in die Museums- und Ausstellungsaktivitäten einbringen können. Zudem soll eine kontinuierliche Interaktion zwischen Besucher*innen, Forscher*innen und Institution etwas abbilden, das mit klassischen Ausstellungskonzepten meist nicht möglich ist. Nämlich einen Entstehungs- und Evaluierungsprozess. Oder anders gesagt: „Digitalisierungsprojekte sollen vertiefen, laufende Workflows digital abbilden und sind wesentlich mehr als ein bloßes Einstellen von Fotos oder Texten“, so der Grazer Kulturstadtrat Günter Riegler zum Auftakt des Projekts Becoming Urban – Stadtentwicklung sehen und verstehen.

Mit der Zusammenarbeit zwischen Graz Museum, Stadtarchiv und dem ZIM-Zentrum für Informationsmodellierung der Universität Graz an Becoming Urban, entsteht eine digitale Option, deren Quellenvolumen permanent wachsen soll und deren Inhalte immer wieder mit anderen Kontexten vernetzt werden können. 

Die Projektthematik der Stadtentwicklung und der Stadterweiterung könnte aktueller nicht sein, anlässlich der zu erwartenden Änderungen der Stadtplanung in Graz in den kommenden Jahren. Wer sich die bisherige Stadtentwicklung von Graz näher anschaut, darf Rückschlüsse zu heutigen Fragestellungen ziehen. Immerhin steht mit dem 19. Jahrhundert und mit seinen stadträumlichen Veränderungen eine Zeit im Fokus des Projekts, in der Graz viel Zuzug erfuhr und immer wieder neues Bauland und neue Stadtflächen generiert wurden.

Das Online-Tool führt verschiedene Quellen zusammen. Historische Fotografien, Postkarten, Stadtpläne und Reiseberichte können mit aktuelleren Daten verglichen werden. Veränderungen an Straßenführung, Parkanlagen und Stadtansichten können auf einer Zeitleiste angezeigt werden, die schrittweise das Stadtwachstum dokumentiert. Die zur Verfügung stehenden Karten sind hoch aufgelöst und lassen Detailuntersuchungen zu. Zudem können alte Karten mit dem aktuellen Stadtplan überlagert werden. Auf Graz bezogene Reiseberichte stehen im Original als Faksimile und als Transkript zur Verfügung. In ihnen erwähnte Orte können auf den Karten gesucht und besucht werden. 

Die Kombination der unterschiedlichen Quellen – so erhofft man sich das auch aus wissenschaftlicher Perspektive – könnte neue Erkenntnisse hervorbringen und neue Rückschlüsse auf die Stadtgeschichte zulassen. 

Becoming Urban wird als Wissenschaftsprojekt durch die Österreichische Akademie der Wissenschaften gefördert. Es wendet sich vornehmlich an Jungforscherinnen der Geisteswissenschaften. Zugang werden dennoch alle Interessierte über die Projekthomepage haben. Letztlich soll sich Becoming Urban laufend weiter entwickeln: Die analog wachsende Stadt, soll durch eine wachsende digitale Stadt nachvollziehbarer gemacht werden. 

Noch sind es vor allen Dingen einzelne Bilder oder Texte aus der Vergangenheit, die Becoming Urban versammelt. Da aber im digitalen Raum Adaptionen selbstverständlich sind, könnte in Zukunft so etwas wie ein digitales Daumenkino entstehen, das – wenn möglich – bis über unsere heutige Zeit hinausweist. 

Reizvoll sind die Reiseberichte, die man zu Graz schon jetzt auf der Projekthomepage lesen kann. Was man mit Becoming Urban erforschen könnte? Einzelne Aspekte, wie zum Beispiel die Überbauung der Mühlgänge in Graz, sind mit vielen Quellen gut belegt. Einige Inhalte müssen noch ergänzt werden. Ein Tipp ist die Raumzeitliche Analyse zur Stadtentwicklung. Mit ihr lassen sich unterschiedliches Planmaterial von 1829 bis 1915 übereinanderlegen und man kann nach Stichworten wie Straßen, Grünflächen oder auch nach Monumenten suchen. 

Bleibt zu fragen, was das Werkzeug über die ökonomischen wie politischen Motive und Hintergründe der Stadtplanung vermitteln kann und ob in Zukunft wirklich Echtzeitdaten eingearbeitet werden? So richtig einfach oder selbsterklärend für Laien ist die Homepage leider nicht. Dennoch lohnt sich die Reise mit Karten und Fotos in ein wachsendes Graz des 19. Jahrhunderts, selbst wenn es nur aus Gründen der Neugierde ist.

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Projektbeteiligte, Initiator*innen und Projektförderer entnehmen sie bitte den weiterführenden Links und den Projektseiten des Graz Museum. 

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